Nestlé, Q4 und FY 2021

15. März 2022
Nestlé, Q4 und FY 2021

Zusammengefasst in einem Wort? Herausragend! Nestlé demonstriert seine Stärke und seine einzigartige Marktposition. Wir haben des Öfteren darauf hingewiesen, was Nestlé von seinen Wettbewerbern unterscheidet. Es ist die Konsequenz des Portfolioumbaus, also der Verkauf wachstumsschwachen Volumen-Geschäfts und der Erwerb höherwertigerer Wachstumsmarken in den Bereichen natural/organic/Gesundheit. Zudem die Umsicht bei der Straffung der internen Prozesse, das beschleunigte Innovationstempo mit neuen, hochwertigen Produkten, die die Konzernmarken nach und nach im höheren Preissegment positionieren, und der Wachstums-Turbo bei zugekauften Marken durch schrittweise Etablierung im weltweit größten Vertriebskanal-Netzwerk im Lebensmittelsektor.

Die Dominanz von Nestlé im Vergleich zu seinen Wettbewerbern konkret:

1. Grund für die Dominanz: Das organische Umsatzwachstum (oW) schlägt alle Wettbewerber um Längen sowohl in Q4 mit +7,2% als auch im Geschäftsjahr mit +7,5% auf 87,1 Mrd. CHF [Absatz/Mix +5,5%, Preis +2%, also oW 7,5%. Geschmälert wurde der Umsatz durch M&A um 2,9% sowie Wechselkursänderungen ( -1,3%, der CHF kostet also weiter Umsatz)].

Die Wettbewerber wie Unilever Food, Kraft Heinz, Mondelez, Danone, Kellogg´s und General Mills legen um ein Drittel bis zwei Drittel langsamer zu.

Nestlé ragt heraus, obgleich sie am wenigsten von allen Peers vom Bevorratungseffekt während der Lockdowns im ersten Halbjahr 2021 profitiert haben!

Auf das Geschäftsjahr 2021 bezogen: Wachstumstreiber sind erneut:

  • das Tiernahrungsgeschäft mit einem organischen Umsatzwachstum (oW) von 12,7%. Treiber hier sind Premium-Produkte von Purina Pro Plan, Fancy Feast, Felix und Purina One. Z. B. sind Futter zur Herzstärkung oder Futter für die sensitive Hundehaut oder magenschonendes Futter echte Verkaufsschlager. -Kaum zu fassen, aber wahr.
  • Kaffee mit 9,7% oW. Treiber sind Starbucks-Retail mit +17,1% oW auf 3,1 Mrd. CHF und -wie seit Jahren – Nespresso mit 8,8% oW auf 6,4 Mrd. CHF. Nescafé wächst solide im mittleren einstelligen Bereich, in vielen Emerging Markets legt Nescafé im niedrigen zweistelligen Bereich zu.
  • Vegane Produkte erzielen ein oW von +16,8%. Der Umsatz beträgt mittlerweile 800 Mio. CHF, also mehr als jeder andere Hersteller veganer Marken, obgleich viele der anderen Marken deutlich mehr Werbung machen. Das demonstriert die Vertriebs-Power von Nestlé.
  • Nahrungsergänzung erzielt ein oW von 13,5%.

Der Großteil des übrigen Konzerngeschäfts wächst im Bereich 4% bis 8%. Im oberen einstelligen Bereich wächst auch z. B. Maggi und Lean Cuisine, was illustriert, dass die höherpreisige Positionierung mit hochwertigeren Produktneuheiten funktioniert. Das Süßwaren-Segment wächst zudem im hohen einstelligen Bereich, vor allem wegen des weltweiten Erfolgs von Kitkat mit vielen neuen Produkten; auch das Wasser-Segment wächst wegen der Premium-Marken wie Perrier/San Pellegrino im hohen einstelligen Bereich. Babynahrung verzeichnet ein leicht negatives organisches Umsatzwachstum, was zum einen der hohen Vergleichsbasis aus Lockdown-Quartalen und zum anderen dem Umsatzrückgang in China wie bei allen Peers geschuldet ist. In China ist die Geburtenrate rückläufig; daher hat Nestlé bei der Babynahrungsmarke Wyeth eine – nicht-cashwirksame Firmenwertabschreibung von rd. 1,6 Mrd. CHF vorgenommen. Damit folgt Nestlé den Wettbewerbern wie Danone und Reckitt Benckiser. Reckitt hat sein Babynahrungsgeschäft in China mittlerweile verkauft.

Die Gründe für das herausragende organische Umsatzwachstum:

  • Top-Produktportfolio mit dem höchsten Konzernumsatzanteil unter allen Mitbewerbern
  • Weltmarktführende Positionen bei hochmargigem Wachstums-Premiumgeschäft von Kaffee (das oW der Kernmarken Nespresso, Nescafé und Starbucks schlägt sämtliche Peers) über Tiernahrung (Purina) bis Vitamine/Mineralstoffe/Pflanzliche Stoffe/Nahrungsergänzung (Nestlé besitzt mittlerweile das weltmarktführende Markenportfolio in diesem schnell wachsenden Markt; CEO Schneider sagte im Quartals-Call, das Portfolio bleibe auf hochwertige Nahrungsergänzung fokussiert, und zwar auf medizinische Nahrung wie z. B. Spezialnahrung für Kinder, etwa Althéra und Alfamino, oder Compleat, eine Krankenhaus-Sondernahrung für umfassende Nährstoffversorgung, sowie auf hochwertige Vitamin-/Stoffwechsel-Produkte wie Pure Encapsulations, Vital Proteins, The Bountiful, Garden of Life und Zenpep)
  • Ein weiterer Grund ist die erfolgreiche Höherpositionierung von Volumenmarken wie Maggi-Produkte mit natürlichen Inhaltsstoffen und Wagner Pizza mit veganen Produkten
  • Aufbau neuer, hochpreisiger Wachstumsmarken in den Bereichen Vegan wie z. B. Garden Gourmet und High-End-Nahrungsergänzung wie Pure Encapsulations, die ausschließlich aus Wirkstoffen in klinischer Reinform besteht
  • Die stets gefüllte Pipeline mit neuen Produkten, die den Mix verbessern und den Marktanteil der meisten Marken stetig erhöhen
  • Auch das streamlining von Produktlinien funktioniert, so z. B. Gefrier-Gerichte in den USA mit 9,3% oW nach Umbau (Artikelbereinigung, mehr neue, hochwertigere Produkte, Bereinigung von Vertriebskanälen, Verbesserung der supply chain)
  • Alle wichtigen Offline- und Online-Vertriebskanäle in allen Regionen des Globus werden konsequent besetzt (alle Absatzregionen legen gut zu)
  • Zudem die kontinuierliche Portfolio-Transformation per M&A, also Verkauf wachstumsschwachen Geschäfts (z. B. das US-Volumen-Wassergeschäft 2021) und Zukauf von Wachstumsgeschäft (2021 z. B. The Bountiful, die aus Bio-Produkten hochwertige Vitaminprodukte herstellen, sowie Nuun, die im schnell wachsenden Markt für funktionelle Flüssigkeitsaufnahme Vorreiter sind), seit 2017 wurden 85 Transaktionen abgeschlossen (rund 20% des Konzernumsatzes 2017).

All das beschleunigt das Wachstumstempo. 2017 betrug das organische Umsatzwachstum noch 2,4%, danach ging es kontinuierlich hoch in den Bereich 3,5% bis 4% oW, 2021 nun 7,5% oW!

Im Quartals-Call sagte Schneider, Nestlé werde die Portfolio-Transformation opportunistisch vorantreiben, man bevorzuge weiterhin kleinere bis mittelgroße Zukäufe, große Deals sieht er nicht. Dies war eine Reaktion auf den Konzernumbau bei Unilever, die möglicherweise das Lebensmittelgeschäft verkaufen könnten. Unseres Erachtens wäre Unilevers Markenportfolio für Nestlé nicht interessant, da es sich vornehmlich um Volumengeschäft handelt, zudem ist das größte Geschäft Knorr. In diesem Bereich ist Nestlé mit Weltmarktführer Maggi, das stetig richtig gutes Geld verdient, bestens positioniert.

Guidance 2022: um 5% organisches Umsatzwachstum (das entspricht dem langjährigen Wachstumsziel); Schneider sagte, Q1 habe gut begonnen, man wolle aber wegen der Unwägbarkeiten in der Lieferkette vorsichtig bleiben.

2. Grund für die Dominanz: Wegen der aktuellen Corona-bedingten Lieferkettenstörung und der folgenden Inputkostensteigerung bei Vorprodukten und Logistik gibt die bottom line derzeit bei allen Firmen, die physische Güter herstellen, ab. Am wenigsten bei den Portfoliofirmen von Danaher über Rational bis Procter & Gamble in ihren jeweiligen Peer-Groups, und am allerwenigsten geben die Margen bei Nestlé ab!

Im Geschäftsjahr 2021 steigt das um Einmaleffekte (M&A-Kosten, Kosten des Wachstums- und Effizienzprogramms, Wyeth-Goodwill) bereinigte Ebit um 1,4% auf 15,1 Mrd. CHF. Die operative Marge sinkt lediglich um 30 bps auf 17,4%. Die Rohmarge ist um 130 bps auf 47,8% gesunken. Die besonders im zweiten Halbjahr deutlich höheren Vorprodukt- und Logistikkosten wurden durch höhere Preise, besseren Mix, Größenvorteile der wachsenden Produktion und Effizienzgewinnen nicht ganz ausgeglichen. Der Opex sinkt um 100 bps (20 bps geringere Vertriebskosten, 80 bps niedrigere Marketing- und Verwaltungskosten). Die berichtete operative Marge beträgt 14% (Einmaleffekte: Wyeth-Goodwill 200 bps, Effizienzprogramm 10 bps, M&A 50 bps, andere 80 bps).

Die Gründe für den niedrigsten Rückgang der bereinigten operativen Marge in der Peer Group trotz der historisch höchsten Kostensteigerung: Das Top-Produktportfolio verleiht hohe Preissetzungsmacht. Nestlé konnte in jedem Quartal des Geschäftsjahres um 100 bps bis 300 bps höhere Preise durchsetzen, ein größerer Teil der Preiserhöhungen folgt in H1/2022, laut CEO Schneider in allen Absatzregionen und fast allen Produktkategorien. Man gehe dabei weiter gut überlegt vor, beachte Preiselastizitäten, Wettbewerbsintensität etc., und jede Preiserhöhung wird weiterhin mit einer Produktverbesserung verbunden. Die ständig hohe Zahl neuer Produkte verbessert den Mix; das 2017 gestartete Wachstums- und Effizienzprogramm hat die internen Prozesse vereinfacht, digitalisiert und beschleunigt, time-to-market verkürzt und COGS/Opex gesenkt.

Guidance 2022: Bereinigte operative Marge im Bereich 17% bis 17,5%, also etwa im Bereich von 2021. Die Inputkosten steigen absehbar weiter an, andererseits treten insbesondere im ersten Halbjahr eine Reihe weiterer Preiserhöhungen in Kraft.

Die Free Cash Flow-Marge wird im Geschäftsjahr (FY) wie die operative Marge eingebremst, sie erreicht net-working-capital-bereinigt 10,7% (-100 bps), wobei Hauptgrund ein um 1 Mrd. CHF höherer Capex (5,34 Mrd. CHF) ist (wachstumsbedingte Erweiterung von Produktionskapazitäten, vor allem für Kaffee und Tiernahrung, weiterer sprungfixer Capex ist in den Wachstumsgeschäften erst einmal nicht zu erwarten).

Die Cash Conversion Rate beträgt 112,7% (bereinigt um Netto-Cash-Zufluss aus Verkauf von 3,1% an L‘Oréal).

Die Bilanz:

Die Nettoschulden inkl. net working capital und Pensionsverpflichtungen betragen 35,8 Mrd. CHF, die Nettofinanzschulden 32,9 Mrd. CHF. Den Nettoschulden steht der Marktwert der Beteiligung an L’Oréal (20,1%) gegenüber (aktuell 41,6 Mrd. CHF)! Das net working capital mit 0,1% des Umsatzes (im Jahres-Durchschnitt) managen sie trotz der aus Vorsichtsgründen (Knappheit bei Vorprodukten) erhöhten Lagerhaltung sehr gut.

Das Eigenkapital (EK) steigt um +16,2% auf 53,14 Mrd. CHF (Zu-/Verkäufe), die EK-Quote beträgt 38,2% (+130 bps) trotz der anhaltend hohen Aktienrückkäufe (6,55 Mrd. CHF), Dividenden 7,68 Mrd. CHF. Nestlé hat also wie im Vorjahr – leider – mit 13,9 Mrd. CHF rund 4,6 Mrd. CHF mehr als den net-working-capital-bereinigten Free Cash Flow an die Aktionäre zurückgegeben, wobei ein größerer Teil des Netto-Cash-Zuflusses aus dem Verkauf von L‘Oréal-Aktien (rd. 8,6 Mrd. CHF, brutto 9,3 Mrd. CHF) für Aktienrückkäufe verwendet wurde. M&A (Saldo Zu-/Verkäufe) betrugen 600 Mio. CHF (größte Deals The Bountiful für 5,4 Mrd. CHF auf Käuferseite, auf Verkäuferseite das Volumen-Wassermarken-Geschäft in den USA für 3,5 Mrd. CHF).

Das RoCe beträgt trotz gebremster Margen solide 10,5% (ohne Marktwert L‘Oréal-Beteiligung), nach Abflauen der Lieferkettenstörung sollte die Free Cash Flow-Marge wieder in den Bereich 11% bis 12% wie vor Corona steigen (zumal die Kosten aus dem Effizienzprogramm sinken, dessen Erträge aber steigen), womit dann auch die Kapitalverzinsung wieder zulegen sollte.

Vor ein paar Wochen hat Nestlé ein neues Aktienrückkaufprogramm gestartet mit einem Volumen von bis zu 20 Mrd. CHF, welches bis Ende 2024 abgeschlossen sein soll. Dieses Jahr sollen davon rund die Hälfte der Rückkäufe getätigt werden.

Schneider hat einen hervorragenden Fang für den Verwaltungsrat von Nestlé gemacht: Luca Maestri, den CFO von Apple, der dort altersbedingt ausscheidet. Gerade für das Geschäft von Nestlé in den USA und in China dürfte Maestri sehr hilfreich sein.

Bewertung:

Der Enterprise Value beträgt das 31,5fache des Free Cash Flows FYe (ohne L‘Oréal-Beteiligung). Unseres Erachtens nicht billig, aber angesichts der Robustheit des Geschäfts und der beschriebenen Dominanz angemessen. Den Fair Value nach Discounted Cash Flow-Methode sehen wir bei 119 – 126 CHF/Aktie (der Analysten-Durchschnitt liegt bei 140 CHF/Aktie).