Nestlé zieht Konsequenzen und muss liefern

24. September 2025

Die Schweizer stehen in der Umbauphase unter besonderer Beobachtung. Das Markenportfolio ist stark, aber die Ziele müssen von der neuen Führungsspitze ambitionierter verfolgt, die Strukturen fitter gemacht werden.

  • Führungswechsel in kritischer Phase – Vertrauen muss schnell zurückgewonnen werden.
  • Ambitionierter Umbau: Markenportfolio stark, die Ziele müssen ambitionierter, Strukturen fitter werden.
  • Effizienzpotenziale durch KI in Verwaltung und Wertschöpfungsketten konsequent nutzen.

Nestlé muss nun liefern

Wir erwarten vom neuen Top-Management zügiges und konsequentes Handeln bei der Umsetzung und Beschleunigung der Programme. Viele Investoren richten ihren kritischen Blick auf die unternehmerische Entwicklung von Nestlé. Zu Recht, denn die Kursentwicklung lässt schon seit einiger Zeit zu wünschen übrig und gleichzeitig sorgt Nestlé nun erneut mit Personalien für Schlagzeilen statt mit ersten Erfolgsmeldungen bei der kompromisslosen Umsetzung der neuen Unternehmensstrategie. Das missfällt auch uns außerordentlich,
denn in unseren Stellungnahmen zu Nestlé haben wir ein ums andere Mal die aus unternehmerischer und strategischer Sicht zentralen Stellschrauben für Verbesserungen konkret
benannt.

Neue Strategie: Richtig, aber wenig ambitioniert

Das neue Strategieprogramm nach dem Abgang von CEO Mark Schneider bedeutete aus unserer Sicht eine erste richtige und wichtige Weichenstellung hin zu mehr operativer Effizienz, mehr Umsatzwachstum und mehr Profitabilität. Gleichwohl hätte der Vorstand die Ziele und Maßnahmen auch seinerzeit schon durchaus ambitionierter formulieren können.

Führungswechsel kommt zur Unzeit

Mitten in der kritischen Phase des Konzernumbaus sorgte Nestlé jüngst jedoch wieder für negative Schlagzeilen durch den erneuten Wechsel an der Unternehmensspitze: Der CEO Laurent Freixe musste nach nur einem knappen Jahr im Amt seinen Posten räumen – aufgrund einer nicht offengelegten Liebesaffäre zu einer Untergebenen. Das stellt einen Verstoß  gegen den Verhaltenskodex von Nestlé dar.

Navratil übernimmt von Freixe

Anstelle von Freixe wurde mit dem 1976 geborenen Nespresso- Chef Philipp Navratil erneut ein langjähriger „Insider“ auf den Posten berufen, der seine Laufbahn bei Nestlé im Jahr 2001 begann. Zum einen kommt der Vorstandswechsel zur Unzeit, da sich Nestlé gerade in einer wichtigen Umbauphase befindet. Zum anderen ist davon auszugehen, dass jetzt alle bei Nestlé die Brisanz erkannt haben. Dafür spricht, dass nur wenige Tage nach Freixe auch der langjährige CEO und Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke seinen Posten vorzeitig räumte. Nachfolger wird der bisherige Stellvertreter und frühere Inditex-Manager Pablo Isla.

Chancen zur Neuausrichtung sind gut

Die Situation bietet Nestlé die Chance zu einem echten Neustart. Ohne Rücksichtnahme auf persönliche Befindlichkeiten kann und muss der neue CEO Navratil Nestlé mit seinen fast
280.000 Mitarbeitern nun gründlich „durchlüften“. Die Voraussetzungen sind jedenfalls vorhanden, um das Unternehmen wieder aus der Komfortzone herauszuführen, es zu verschlanken und auf Effizienz zu trimmen, um sich wieder voll auf das operative Geschäft fokussieren zu können.

 

Nestlé Finanzkennzahlen

Wichtige, nicht immer richtige Weichenstellungen

Freixes Vorgänger Mark Schneider hat das Produkt- und Markenportfolio von Nestlé konsequent modernisiert. Er verkaufte wachstums- und margenschwache Sparten, zum Beispiel das Geschäft mit Tiefkühlpizza, Süßwaren in den USA und Speiseeis und erwarb im Gegenzug margenstarkes Geschäft etwa im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel und der Tiernahrung, wenngleich nicht alle Übernahmen sinnvoll und erfolgreich waren wie z.B. der Kauf von Aimmune Therapeutics mit dem Medikament Palforzia gegen Erdnussallergien.

Die aus unternehmerischer Sicht insgesamt positive Entwicklung wurde jedoch auch von angelsächsisch geprägtem „Financial Engineering“ begleitet: Indem er dem Druck  aktivistischer Aktionäre nachgab, machte Schneider aus einem im Grunde schuldenfreien Unternehmen ein Unternehmen, das Dividenden teils aus der Firmensubstanz zahlte und von 2022 bis 2024 schuldenfinanzierte Aktienrückkäufe im Wert von rund 20 Mrd. CHF tätigte. Dies sind Aktivitäten, die wir als unternehmerisch denkende Investoren seit jeher kritisch sehen.

Freixe rüttelt die Firma wach und setzt strategische Impulse

Der Verdienst von Laurent Freixe war es nach der Ära Schneider, dass er diese Praxis beendete und unter anderem das Aktienrückkaufprogramm auslaufen ließ. Freixe rüttelte Nestlé
„wach“: Er verordnete der aus unserer Sicht behäbig gewordenen, unterambitionierten Firma ein dringend notwendiges Fitnessprogramm, das etwa mehr Marketingmaßnahmen vorsieht und verstärkt Innovationen anstrebt. So unternahm Freixe erste, längst überfällige Schritte in Sachen Künstliche Intelligenz, etwa durch ein KI-gestütztes  Einkaufsmanagement.

Navratil muss die Neuausrichtung konsequent vorantreiben

An Philipp Navratil liegt es nun, die neue Ertüchtigungsstrategie konsequent – und idealerweise beschleunigt – umzusetzen und sie dort weiterzuentwickeln, wo es nötig ist. Als langjähriger Manager kennt Navratil Nestlé in- und auswendig; er steht somit für Kontinuität, aber auch für die strategische Neuausrichtung. Diese sollte er mit Fokus auf Effizienz, Profitabilität und Vertrauen bei Investoren beschleunigen. Dazu zählt sicherlich auch ein konsequenter Personalabbau in dem Unternehmen mit fast 280.000 Beschäftigten sowie der forcierte Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Nestlé Langfristchart

Fazit: Nestlé hat die Chance zu einem echten Neustart

Die jüngsten Entwicklungen bei Nestlé zeigen zweierlei:

• Einerseits den klaren Handlungswillen und die Handlungsfähigkeit des Unternehmens in einer schwierigen Situation.
• Andererseits die Notwendigkeit, dass der neue CEO nun rasch Vertrauen durch konsequentes Handeln zurückgewinnt.

Für uns als langfristig orientierte Investoren mit dem Wagner & Florack Unternehmerfonds und dem Wagner & Florack Unternehmerfonds flex ist dabei nicht entscheidend, ob die Schlagzeilen in den nächsten Wochen positiv oder negativ ausfallen, sondern ob es Nestlé dauerhaft gelingt, die bereits von Navratils Vorgängern begonnenen Programme – mehr Effizienz, gezieltere Innovation und straffes Kostenmanagement – zügig umzusetzen und in sichtbare Bilanzkennzahlen umzuwandeln. So unschön und enttäuschend die jüngsten personellen Vorkommnisse auch sind. Nestlé hat jetzt die Chance zu einem echten Neustart, um den Kunden und das Geschäft wieder in das Zentrum der Unternehmenskultur zu stellen.

Der weltweit größte Nahrungsmittelhersteller verfügt ohne Frage über ein starkes Markenportfolio und eine weltweit intakte, führende Marktstellung. Doch die anhaltend schwache
Aktienentwicklung zeigt auch: Die Investoren verlangen sichtbare Fortschritte. Wir erwarten, dass die Führungsspitze den Unternehmenskurs klar auf Wachstum, Profitabilität und Wertsteigerung ausrichtet und das im Unternehmen unbestreitbar vorhandene Potenzial – Markenstärke, Produkt-Mix, wachstumsstarke Marktsegmente – dafür voll ausschöpft.

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