Adobe, Q1 2021/22:

13. April 2022
Adobe, Q1 2021/22:

Adobe ist gewohnt dynamisch mit +17 organischem Umsatzwachstum gewachsen (berichtet 9% wg. Extrawoche im Vorjahresquartal) und hat wie immer äußerst stark verdient. So beträgt die operative Marge 37,1% und die Free Cash Flow-Marge 38,5%. Wegen der leichten Saisonalität des Geschäfts vor allem bei Experience Cloud, also den Software-Tools für das Planen/Konfiguration/Durchführen von Online-Marketing-Aktionen und deren Effizienzmessung in Echtzeit, die gerade im Retailer-Weihnachtsgeschäft sowie an den Online-Verkaufsaktionstagen wie Black Friday/Cyber Monday besonders dynamisch gebucht werden, sind Umsatzwachstum und Margen im ersten Halbjahr etwas niedriger als im zweiten Halbjahr.

Im Quartals-Call erklärte CEO Narayen, Adobe spüre trotz aktuell bremsender Konjunktureffekte (Ukraine-Krieg, Corona-Quarantänen) keine abnehmende Absatzdynamik oder Margendruck. Im Gegenteil, die digitale, kollaborative und kreative Inhalteproduktion bei Unternehmen bleibe ein struktureller Wachstumstrend, genauso wie das hohe E-Commerce-Wachstum. Für beide Trends liefert Adobe den Kunden passgenaue, innovative Software-Werkzeuge und Cloud-Plattformen. „Adobe had a strong Q1“, sagte Narayen im Call, das Momentum nehme auch jetzt im laufenden Q2 weiter zu. CFO Durn sprach von „emerging business ramp“ und „escape velocity“, die Nachfrage nach digitalen Inhalten explodiere teilweise geradezu. Adobe gewinnt unverändert viele Neukunden, erhöht den Umsatz bei Bestandskunden und baut besonders den Anteil wiederkehrender Umsätze aus.

Berichtet ist der Umsatz um 9,1% auf 4,26 Mrd. USD gestiegen; das Vorjahresquartal hatte allerdings 1 Woche mehr (das waren rd. 267 Mio. USD zusätzlicher Umsatz), so dass das organische Umsatzwachstum (oW) bereinigt 17,1% (FX null) beträgt. Das Geschäft von Adobe weist, wie erwähnt, eine leichte Saisonalität auf, Q3 und Q4 haben idR etwas höhere Wachstumsraten als Q1 und Q2.

Digital Media ist mit 17% organischem Umsatzwachstum (oW) auf 3,11 Mrd. USD gewachsen (berichtet +9%). Die wiederkehrenden Umsätze (Annualized Recurring Revenue – „ARR“) bei Digital Media sind im Berichtsquartal um 418 Mio. USD auf jetzt 12,57 Mrd. USD gewachsen (hiervon Creative ARR 10,54 Mrd. USD und Document Cloud ARR 2,03 Mrd. USD). Wachstumstreiber bei Digital Media war diesmal vor allem das kleinste Konzerngeschäft, Document Cloud, das mit 26% oW (+17% berichtet) auf 562 Mio. USD gewachsen ist. Treiber waren Acrobat-Abos mit neuem Rekord für ein Q1, neue und erneuerte Lizenz-Deals bei Acrobat Teams bei kleinen/mittelgroßen Firmenkunden, anhaltendes Momentum bei Sign, starkem Absatz der mobilen PDF-Lösungen, außerdem erneut hohes Momentum bei Acrobat Web (Annualized Recurring Revenue +90% im Jahresvergleich); neue Großkunden sind bspw. United Health, Mercedes und Ricoh.

Creative Cloud, das größte Geschäftsfeld von Digital Media und im Konzern, hat mit 16% oW (7% berichtet) auf 2,55 Mrd. USD zugelegt. Treiber waren Neukunden im Bereich kleine/mittelgroße Unternehmen, Creative Cloud Teams-Anwendungen vor allem bei Großkunden, beschleunigtes Wachstum bei den „Flagship“-Produkten Photoshop, Illustrator und Premiere, dynamischer Absatz der neuen Kollaborations-Produkte, auch aus dem jüngsten Zukauf Frame.io (cloudbasierte Video-Kollaborations-Plattform), der besonders dynamisch zulegt, und 3D-/immersive-Applikationen. Das neu eingeführte Produkt Creative Cloud Express (20 Creative Cloud-Produkte – Desktop-Programme, mobile Apps und Online Services wie Photoshop, Illustrator, InDesign, Premiere Pro, Adobe XD – maßgeschneidert online verfügbar und je nach individuellem Bedarf lizenzfrei buchbar und online/offline nutzbar; außerdem Zugriff auf mehrere tausend Schriften von Adobe und auf Collections mit einer riesigen Bibliothek an hochwertigen Kreativelementen wie Bilder, 3D-Inhalte, Audio/Video; des Weiteren Plug-ins und Integrationen zur Workflow-Optimierung; schließlich ist kollaboratives Arbeiten möglich) verkauft sich vom Start weg sehr gut, genauso wie Acrobat/Photoshop/Illustrator als Web-Applikationen. Sowohl von Creative Cloud Express als auch von den Web-Applikationen der Adobe-Kernprodukte verspricht sich Adobe eine Beschleunigung des Annualized Recurring Revenue-Wachstums. Neue Großkunden sind bspw. Disney, IBM, ING und Kohl‘s.

Experience Cloud hat mit 20% oW (13% berichtet) auf 1,06 Mrd. USD sein Momentum erneut erhöht, hiervon das Abo-Geschäft mit 22% oW auf 932 Mio. USD (15% berichtet). Treiber ist weiterhin die Echtzeit-Datenanalyse von E-Commerce-Transaktionen, die weitere Features bekommen hat. Außerdem wurden Adobe Real-Time CDP (die Großkunden-Plattform der Echtzeit-Datenanalyse) und Adobe Target integriert; auch andere Cross-Cloud-Anwendungen sind nun möglich zwischen Workfront (Zukauf 2020/Workflowmanagement), Creative Cloud Enterprise und dem Experience Manager, was die Ende-zu-Ende-Arbeit von der Inhalteerstellung bis zur Lieferung verbessert. Der Adobe Experience Manager wächst ebenfalls weiter dynamisch, was den Bedarf an effizientem Inhalte-Management über die gesamte Inhalte-Supply Chain zeigt; gerade bei den web-basierten Anwendungen steigt die Zahl von Groß-Deals enorm an, derzeit angeführt von von Workfront. Neue Großkunden sind u. a. JP Morgan, IBM, United Health, Crowdstrike und Jaguar Land Rover.

Der Absatz wächst in allen Regionen zweistellig; in Nord-/Südamerika werden 57% des Konzernumsatzes erwirtschaftet, in Europa/Naher Osten/Afrika 27% und in Asien 16%.

Zum Ende von Q1 betrugen die RPO (recurring purchase orders, also wiederkehrende Umsätze) für das Geschäftsjahr (FY) 13,83 Mrd. USD (FY-Guidance für den Konzernumsatz von 17,9 Mrd. USD).

Adobe hat Anfang März seine Vertriebsaktivitäten in Russland und in der Ukraine gestoppt und bucht 75 Mio. USD wiederkehrenden Umsatz für 2022 aus, was dem gesamten Umsatz in Russland und der Ukraine bis zum Jahresende entspricht – das sind rd. 0,4% des für 2022 erwarteten gesamten Konzernumsatzes, was zeigt, dass die beiden Märkte in Russland und der Ukraine klein sind.

Der Analysten-Zunft stößt negativ auf, dass Adobe für Q2 „nur“ 14% organisches Umsatzwachstum vorhersagt (was aber für ein Q2 sehr gut ist – s. o./; nicht übermäßige, aber doch relevante Saisonalität des Adobe-Geschäfts mit höherem Wachstum in H2), das ist ein Umsatz von 4,34 Mrd. USD, während der Analysten-Konsens gerne 4,36 Mrd. USD sehen würde. Wegen 20 Mio. USD höherer Erwartungen bzw. wegen um 0,65% verfehlter Erwartungen fürs Umsatzwachstum (14,065% statt 14%) von „langsamerem Wachstumstempo“ zu sprechen und die Marktkapitalisierung zwischenzeitlich um bis zu annähernd 20 Mrd. USD zu drücken, ist ganz und gar nicht nachvollziehbar, weshalb wir die Situation für einen kleinen Nachkauf genutzt haben.

Die Margen:

Das Ebit legt mit 8,7% auf 1,58 Mrd. USD in etwa mit demselben Tempo zu wie der berichtete Umsatz (9,1%), die operative Marge liegt bei 37,1% (-10 bps).

Die Free Cash Flow-Marge erreicht ebenfalls gewohnt extrem starke 38,5%; dass es diesmal nicht wie des Öfteren > 40% sind, liegt lediglich an den Veränderungen des net working capital (nwc) zum Bilanzstichtag (-343 Mio. USD), nwc-bereinigt beträgt die Free Cash Flow-Marge auch für Adobe-Verhältnisse sehr hohe 46,6%.

Mit anderen Worten: Obgleich Adobe aus allen Rohren bei F&E (F&E ist bei Adobe mit 16,4% des Umsatzes noch vor den COGS zweitgrößter Kostenposten) und beim Vertrieb/Marketing (größter Kostenposten) feuert, und obgleich Q1 traditionell ein eher softeres Quartal ist (leichte Saisonalität, s. o.), verdienen sie immer mehr und mehr auf sehr hohem Niveau. Die Cash Conversion Rate (bezogen auf den berichteten Free Cash Flow und das Nachsteuerergebnis) beträgt sehr hohe 129,6% – einfach stark!

Bilanz:

Die Nettoschulden betragen 3,8 Mrd. USD inkl. des net working capitals (rd. 0,5x des Free Cash Flows FYe; die Schulden resultieren aus den beiden jüngsten Zukäufen Workfront und Frame.io; idR setzt Adobe die Hälfte bis drei Viertel des Free Cash Flows für Aktienrückkäufe ein, den Rest für M&A. Die Zukäufe sind Firmen mit komplementären Technologien, mit denen Adobe sein Produktportfolio ergänzt).

Das Eigenkapital (EK) sinkt um EK -7% auf 13,78 Mrd. USD und EK-Quote um -131 bps auf 53% (wg. Aktienrückkäufen).

Die Gesamtkapitalverzinsung (RoCe) beträgt sehr hohe 42,7%.

Enterprise Value: 29,8x FCF FYe. Nicht „billig“, was bei der weltmarktführenden Stellung von Adobe, dem enorm hohen Marktpotential gerade bei Experience Cloud und bei Creative Cloud sowie bei den extrem hohen Margen auch nicht erwartbar ist; aber die gedehnte Bewertung aus dem letzten Jahr ist nach dem Aktienkursrückgang abgebaut, zumal man berücksichtigen sollte, dass Adobe es als eines der extrem wenigen Groß-Techs bisher schafft, den Free Cash Flow etwa alle vier Jahre zu verdoppeln, was den Unternehmenswert dauerhaft deutlich pushen sollte. Und der hohe Free Cash Flow (dieses Jahr voraussichtlich rd. 7,5 Mrd. USD) gibt Adobe eine enorm hohe Feuerkraft, um das Wachstumstempo von Umsatz und Margen hochzuhalten.