Ist der Anstieg nachhaltig? Wie erwähnt, Zitronen kann man nicht endlos ausquetschen, auch keine Ölfelder. Also werden die Ölfirmen bald wieder sehr kräftig investieren müssen, wenn sie Öl zum Verkaufen haben wollen.
Natürlich, aktuell leben Ölfirmen in der besten aller Welten: Die Konjunktur hat sich nach den Corona-Lockdowns erholt und die Ölnachfrage steigt, auf der Nordhalbkugel im Winterhalbjahr allemal. Zudem beschränkt der niedrige Upstream-Capex zugleich das Ölangebot, folglich explodiert der Ölpreis und die Cash Flows der Ölfirmen ebenso (jedoch nicht so stark wie man vermutet, da margin calls für Terminabsicherungen den Free Cash Flow einbremsen). Und der russische Präsident sorgt für Angst vor steigender Ölknappheit, obwohl Russland ein eher kleinerer Ölproduzent ist.
Aber das ist eine Idealsituation für Ölfirmen, die nicht lange währt. Keiner weiß, wie lange. Aber klar ist, dass Ölfirmen Öl fördern müssen, wenn sie Geld verdienen wollen. Dafür werden sie mittel- und langfristig sehr, sehr hohe Investitionen tätigen müssen. Trotz temporär hoher Ölpreise werden die Cash Flows und die FCF-Margen der Ölfirmen dann wieder abschmelzen. Zumal Ölförderung heute nun einmal deutlich teurer ist als früher, da das leicht erreichbare Öl längst gefördert ist. Heute muss in der Regel ein paar tausend Meter tief gebohrt werden; und auch Fracking und Ölsandabbau sind wegen der Umweltauflagen heute viel teurer als noch vor Jahren.
Aktien von Ölfirmen sind daher kein „Value“. Lieber sind wir z. B. in „Wachstumsfirmen“ investiert, die vielmehr echtes „Value“ sind: In z. B. Apple, Alphabet und Microsoft, die ihren FCF in etwa alle vier Jahre verdoppeln und die angesichts der extrem hohen und robusten Qualität des Geschäfts, des dynamischen Wachstum, der extrem hohen Margen, der erstklassigen Bilanzen und eines künftig noch höheren Wachstumspfades aus neuen Geschäftsfeldern nicht „teuer“, auch eher nicht „fair“, sondern vielmehr eher „günstig“ bewertet sind.