Die in Folge des Ukraine-Krieges weiter stark gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise und noch stärker gestörten Lieferketten (als in der jüngeren Vergangenheit ohnehin schon) machen sich deutlich bemerkbar. Bei Unternehmen und Endverbrauchern. Doch nicht nur der weiter andauernde Ukraine-Krieg ist Grund hierfür, sondern weiterhin auch die Folgen der Corona-Pandemie sowie die neuerlichen Lockdowns in China.
Denn mit seiner radikalen Null-Covid-Strategie und mit den Lockdowns sogar in Shanghai und Shenzhen, den „Fabriken der Welt“, befeuert der chinesische Präsident Xi die Güterknappheit, die Lieferkettenstörungen und die Inflationsrate ganz erheblich. Daher darf es nicht verwundern, dass die deutschen Importpreise bereits im Februar ohne Öl/Gas im Jahresvergleich um 14,7% gestiegen sind. Als wäre das nicht genug, kommt die Öl-/Gasknappheit noch hinzu, so dass die deutschen Importpreise im Februar im Jahresvergleich insgesamt um 26,3% (!) zugelegt haben. Besserung nicht in Sicht, im Gegenteil: Zum einen übt der Ukraine-Krieg weiteren Druck auf die Lieferketten und den weiteren Anstieg von z. B. Logistikkosten aus. So ist der zivile Luftraum über Russland und der Ukraine größtenteils geschlossen, die Ukraine praktisch vom internationalen Seehandel abgeschnitten und auch die Bahnstrecke zwischen China und Europa durch Russland wird vermieden. Die Frachtraten bewegen sich auf hohem (teurem) Niveau, zudem fehlen in großer Zahl LKW-Fahrer; viele Fahrer stammen üblicherweise aus der Ukraine und Russland. Und die erwähnten Lockdowns in China führen zu einer weiteren, deutlichen Verschlechterung der Lage. So berichtet z. B. die Europäische Handelskammer in China, dass nach Angaben europäischer Unternehmen im weltgrößten Containerhafen, Shanghai, in der vergangenen Woche 40 Prozent weniger Güter im Vergleich zur Vorwoche abgefertigt wurden. Mittlerweile haben 87 der 100 wirtschaftlich produktivsten Städte Chinas eine Quarantäne-Stufe ausgerufen, von leichtem bis kompletten Lockdown.
Der Inflationsdruck baut sich also weiter auf, denn die Folgen der Güterknappheit und ein Teil der höheren Importpreise wird bei Unternehmen und Endverbrauchern noch deutlicher ankommen. Der Druck geht mithin nicht von der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken aus, sondern ausschließlich von der Knappheit des Güter- und Rohstoffangebots, welches wiederum von den massenhaften Corona-Quarantänen von Arbeitnehmern -nicht nur in China (!)-, von der 2020/21 während der Pandemie gesunkenen Öl-/Gasförderung und den Folgen des Krieges verursacht wird. Und natürlich stellt der Ukraine-Krieg einen weiteren, (spekulationsgetriebenen) Inflationstreiber (auf den Terminmärkten für Öl/Gas) dar.
Bei den Unternehmen trennt sich auch hier die Spreu vom Weizen: Präsident Xi fördert mit seinen massenhaften Corona-Quarantänen für Arbeitnehmer, ohne es zu wollen, den Aufbau von Produktionskapazitäten in anderen Ländern. Das geschieht bereits in erheblichem Umfang, wie wir in den Quartalsberichten vieler Unternehmen lesen. Unternehmen bauen noch mehr als bisher in Südost-Asien, aber auch in den USA (inkl. Mexiko) und selbst in Europa (vorwiegend Mitteleuropa wie Polen und Tschechien) mehr Produktionskapazität -intern oder bei Lieferanten- auf; die jüngste Meldung z. B. ist, dass Apple einen Teil der iPhone 13-Geräte nun in Indien herstellen lässt. Des Weiteren wird die Zahl der Lieferanten und Lohnhersteller erhöht, man verbreitert also die Lieferketten. Kurzfristig hilft das natürlich kaum, und es kostet auch erst einmal Geld. Aber es sind unseres Erachtens unumgängliche Investitionen, um eine geringere Abhängigkeit von China zu erreichen.
Bei Firmen mit geschäftsmodellbedingt niedrigem Kapitalbedarf, wie unseren Portfoliofirmen, ist dies auch nicht teuer. Bei Firmen mit hohem Kapitalbedarf – etwa von der Autoindustrie über Basischemie bis Maschinenbau- ist es hingegen extrem teuer. Stabile Lieferketten haben einen Wert, den man auch bezahlen muss.
Die Diversifizierung der Lieferkette ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, in Firmen mit niedrigem Kapitalbedarf zu investieren. Der Unternehmensgewinn von Procter & Gamble, Nestlé oder Apple wird davon selbst kurzfristig kaum gebremst. Aber „Industrie-1.0-Firmen“ müssen erneut kräftig investieren. Und da deren Margen ohnehin niedrig sind, werden diese Firmen dies mit noch mehr Schulden finanzieren müssen.
Wie bereits in unserem letzten Investorenbrief dargelegt -ausführlicher als hier-, wird der Gegenwind sich insbesondere bei rohstoff- und energieintensiven Firmen bemerkbar machen. Bei Firmen, an denen wir nicht beteiligt sind. Aber auch für alle Firmen, welche physische Güter herstellen, werden die gestiegen Inputkosten und die stark gestörten Lieferketten einen zunehmenden und sehr spürbaren Druck auf die operativen und die Free Cash Flow-Margen sowie den Absatz bedeuten. Letzteres, weil schlichtweg auf Grund des Versorgungsengpasses bei den Vorprodukten die hohe Nachfrage nach Produkten nicht voll befriedigt werden kann. Wir hatten diesen Aspekt bereits in unserem letzten Investorenbrief kurz in Zusammenhang mit Apple erwähnt.
Die in Kürze bevorstehenden Quartalszahlen werden ein genaueres Bild liefern. Firmen mit hohem Kapitalbedarf, deren Margen ohnehin schon in der Regel gering sind, werden höchstwahrscheinlich von einem deutlichen Margenrückgang berichten müssen. Aber auch die (hohen) Margen unserer Portfoliofirmen, die physische Güter herstellen, werden vermutlich unter Druck geraten sein bzw. in den nächsten Quartalen spürbar unter Druck geraten. Die Preissetzungsmacht, die starken Marken unserer Portfoliounternehmen, der hohe Anteil an Premium-Marken, ein ständig verbesserter Preis/Mix sowie mengenbedingte Skaleneffekte und Effizienzgewinne sowie eine hohe Anpassungsgeschwindigkeit unserer kapitalleichten Firmen werden aber zumindest zu einer Begrenzung des Margendrucks führen. Die Input-Probleme sind zwar hartnäckig und dynamisch, andererseits passen sich unsere Unternehmen (mit niedrigem Kapitalbedarf) auch schnell und kontinuierlich an (Anpassungsgeschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit, weil kapitalleicht).
Am Beispiel von Church & Dwight haben wir unter I. (Highlights unserer Unternehmen) aufgezeigt, was eine gute Firma ausmacht. Church & Dwight hat, wie unsere anderen wettbewerbsüberlegenen Consumer Staples, die bisherigen Herausforderungen sehr professionell und flexibel gemeistert. Am Beispiel Church & Dwight wird erneut deutlich, warum wir kapitalleichte Geschäftsmodelle bevorzugen: Es ist die VeränderungsFÄHIGKEIT. Beeindruckend ist zudem das konsequente und geschickte Vorgehen bei Preiserhöhungen, Mixverbesserung und neuen Produkten sowie das permanente Heben von Effizienz. Davon können die allermeisten Firmen nur träumen.
Dennoch sollte klar sein, dass auf Grund der beschriebenen und absehbaren Folgen der Corona-Quarantänen und der Folgen des Krieges auf die Kosten und die Verfügbarkeit von Vorprodukten auch unsere Portfoliounternehmen, die physische Güter herstellen, trotz der oben erwähnten Anpassungen, der Preissetzungsmacht, des stetig verbesserten Preis/Mix usw. und ihrer grundsätzlichen Wettbewerbsüberlegenheit in den nächsten Quartalen Probleme bekommen werden, die bisherigen (hohen!) Margen aufrecht zu erhalten bzw. den Druck kompensieren zu können.
Es sei darauf hingewiesen, dass die geschilderte Input-Problematik für die Hersteller digitaler Güter wie z. B. Visa, Adobe, Microsoft und Alphabet (die beiden letztgenannten besitzen nur einen kleinen Geschäftsanteil an physischen Gütern) weniger relevant sein dürfte. Auch Apple und vermutlich Hermès dürften deutlich weniger von der Problematik erfasst sein als viele andere Firmen, die physische Güter herstellen.
Grundsätzlich: Zwar besteht für die nächsten Quartale kein Anlass für Optimismus, aber mittel- und langfristig sehr wohl. Denn irgendwann wird die Lieferkettenstörung vorübergehen, während bei unseren Firmen die Skaleneffekte aus Anpassungen und die höhere Effizienz bleiben.
Zwei Themen, zu denen wir u.a. in den letzten Tagen und Wochen gefragt wurden:
1. Wie ist die Perfomance der Unternehmerfonds seit Kriegsausbruch?
Die Perfomance seit dem 24.2.2022 bis zum 11.04.2022 beträgt im Unternehmerfonds I +7,05% und im Unternehmerfonds flex C +5,8% (Quelle: KVG; alle Angaben ohne Gewähr). Wir hatten in unserem letzten Investorenbrief auf die Gefahren des Timings hingewiesen und vor allem geschildert, worauf es uns ankommt: Dem langfristigen Investieren mit unternehmerischem Fokus in Firmen mit kapitalleichten und robusten Geschäftsmodellen. Unternehmen, die beständig hohe Unternehmensgewinne erzielen – auch in Rezessionen – und so konsistent hohe Kapitalverzinsungen erwirtschaften. All dies führt zu langfristig hohen Wertsteigerungen und einer sehr hohen substanziellen Investitionssicherheit.
2. Ist es nicht sinnvoll jetzt in Öl- und Rüstungsfirmen zu investieren?
Zu den Ölfirmen sei gesagt: Ja, in der ersten gedanklichen Ableitung möglicherweise durchaus. Bei vielen „Börsenexperten“ sind Aktien von Ölfirmen aktuell nach Jahren auch wieder einmal en vogue und sie plädieren für Investments in Ölfirmen als „value plays“.
Unser Standpunkt: Nun, erstens, als Investor spielt man nicht, das überlässt man Spekulanten. Die meisten Spekulanten spekulieren nicht allzu lange…
Zweitens: Sind Ölfirmen wirklich „Value“?
Die Aktienkurse scheinen dies gegenwärtig zu untermauern. Immerhin haben sich ihre Aktienkurse in den letzten zwei Jahren verdoppelt bis verdreifacht. Was steigt, landet auf den Empfehlungslisten etlicher Börsenexperten. Allerdings waren die Aktienkurse der Ölfirmen vor 2020 zusammengebrochen, ca. 50% bis 90%.
Weshalb waren die Aktienkurse – zurecht – stark eingebrochen? Es ist ökonomisch simpel: Die Ölförderung wird immer teurer. Das leicht förderbare Öl ist längst verbraucht. Um die „Zitrone auszuquetschen“, muss immer tiefer und immer aufwändiger gebohrt und gefrackt werden. Das ist teuer und zwar extrem teuer. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Free Cash Flows der Ölfirmen nach und nach dahinschmolzen. Selbst zeitweise hohe WTI-/Brentpreise wie 2013 bis 2015 bei über 100 USD pro Fass halfen nicht substanziell.
Als dann ab 2016 die Ölpreise absackten, etwa auf den Bereich 50 bis 75 USD pro Fass, haben die Ölfirmen ihre Investitionen in die Ölförderung deutlich bis teilweise massiv zurückgefahren, um nicht in die roten Zahlen zu geraten. Bisheriger Tiefpunkt der Investitionen war 2020, als die Ölfirmen kaum investiert haben. Bei zwar schwankenden, aber im Bereich 40 bis 80 USD pro Fass verharrenden Preisen hat dies zu einem erheblichen Anstieg der Cash Flows der Ölfirmen geführt, deren Free Cash Flows ca. um 50% bis 75% hochgeschossen sind. Außerdem haben gerade die großen Ölfirmen wie Exxon und Shell unrentablere Ölfelder verkauft und damit einige Schulden abgebaut. Entsprechend sind die Bewertungen der Firmen gesunken, obwohl die Aktienkurse 2021 und aktuell nur einen Weg kennen, den Weg nach Nord-Nord-Ost.
Ist der Anstieg nachhaltig? Wie erwähnt, Zitronen kann man nicht endlos ausquetschen, auch keine Ölfelder. Also werden die Ölfirmen bald wieder sehr kräftig investieren müssen, wenn sie Öl zum Verkaufen haben wollen.
Natürlich, aktuell leben Ölfirmen in der besten aller Welten: Die Konjunktur hat sich nach den Corona-Lockdowns erholt und die Ölnachfrage steigt, auf der Nordhalbkugel im Winterhalbjahr allemal. Zudem beschränkt der niedrige Upstream-Capex zugleich das Ölangebot, folglich explodiert der Ölpreis und die Cash Flows der Ölfirmen ebenso (jedoch nicht so stark wie man vermutet, da margin calls für Terminabsicherungen den Free Cash Flow einbremsen). Und der russische Präsident sorgt für Angst vor steigender Ölknappheit, obwohl Russland ein eher kleinerer Ölproduzent ist.
Aber das ist eine Idealsituation für Ölfirmen, die nicht lange währt. Keiner weiß, wie lange. Aber klar ist, dass Ölfirmen Öl fördern müssen, wenn sie Geld verdienen wollen. Dafür werden sie mittel- und langfristig sehr, sehr hohe Investitionen tätigen müssen. Trotz temporär hoher Ölpreise werden die Cash Flows und die Free Cash Flow-Margen der Ölfirmen dann wieder abschmelzen. Zumal Ölförderung heute nun einmal deutlich teurer ist als früher, da das leicht erreichbare Öl längst gefördert ist. Heute muss in der Regel ein paar tausend Meter tief gebohrt werden; und auch Fracking und Ölsandabbau sind wegen der Umweltauflagen heute viel teurer als noch vor Jahren.
Aktien von Ölfirmen sind daher kein „Value“. Lieber sind wir z. B. in „Wachstumsfirmen“ investiert, die vielmehr echtes „Value“ sind: In z. B. Apple, Alphabet und Microsoft, die ihren Free Cash Flow etwa alle vier Jahre verdoppeln und die angesichts der extrem hohen und robusten Qualität des Geschäfts, des dynamischen Wachstums, der extrem hohen Margen, der erstklassigen Bilanzen und eines künftig noch höheren Wachstumspfades aus neuen Geschäftsfeldern nicht „teuer“, auch eher nicht „fair“, sondern vielmehr eher „günstig“ bewertet sind, was insbesondere für Alphabet gilt.
Und Rüstungsfirmen?
Auch Rüstungsfirmen werden allenthalben als „must-have“ ausgerufen. Dabei sind Rüstungsfirmen typisch stark kapitalintensive Firmen mit wenig Skaleneffekten. Daher sind die Margen überschaubar (sie liegen in der Regel im mittleren bis hocheinstelligen Bereich). Und auch bei hohem Umsatzwachstum, welches jetzt anstehen dürfte, werden Rüstungsfirmen nicht zu „Margenkönigen“ werden. Rüstungsfirmen sind hinsichtlich Kapitalbedarf und Skaleneffekten letztlich wie Autobauer / Maschinenbauer / Flugzeugbauer usw. einzustufen. Erschwerend kommt hinzu, dass ihr Absatz von WENIGEN Großkunden und von STAATEN abhängig ist. Rüstungsfirmen und somit das potenzielle Investment unterliegen somit des Öfteren willkürlichen politischen Entwicklungen und sprunghaften politischen/bürokratischen Entscheidungen. Aus der Brille des Miteigentümers wäre allein dieser Aspekt für uns nicht hinnehmbar. Faktisch besteht auch keine Preissetzungsmacht, denn diese liegt eher bei den Großkunden. Und mittlerweile sind die Bewertungen der meisten Rüstungsfirmen höher als die unserer „Consumer Techs“ wie Alphabet, als unserer Consumer Staples wie Procter & Gamble oder Wachstumsfirmen wie Danaher, die allesamt wesentlich höhere Margen haben und größtenteils schneller wachsen als Rüstungsfirmen.
Eine weitere, offene Frage? Wie sind Öl- und Rüstungsinvestments eigentlich mit ESG- Aspekten vereinbar?