Investieren statt spekulieren

27. April 2023
Investieren statt spekulieren
Über Ungeduld und Leichtsinn und unser Kontrastprogramm dazu: Hermès, Rational und L’Oréal

Anstatt sich langfristig mit der nötigen Ruhe, Geduld und Disziplin an krisenerprobten, gestandenen und profitablen Geschäftsmodellen zu beteiligen, meinen manche, die Börse sei dazu da, möglichst schnell und spielerisch – ein wenig Nervenkitzel ist mitunter durchaus willkommen – Vermögen aufzubauen oder zu mehren. Auf der Jagd nach dem schnellen Geld stürzt man sich auf heiße Tipps und Themen wie Wasserstoff, Kryptowährungen oder E-Mobilität und kauft lieber Aktien von Firmen, bei denen anstelle echter, belastbarer Free Cashflows kaum mehr als vage Hoffnungen diskontiert werden. Wer dieser Art von Lotterie nicht nur mit etwas „Spielgeld“ frönt, riskiert, bösen Schiffbruch zu erleiden. Das Geld liegt eben nicht einfach auf der Straße. Oder wie es Charlie Munger auf seine unnachahmliche Art und Weise sagte: „It`s not supposed to be easy. Anyone who finds it easy is stupid.“

Die Fehler, die dabei begangen werden, sind immer wieder die gleichen. In unserem Investorenbrief von Juli 2022 hatten wir uns in diesem Zusammenhang schon einmal mit „Trendfirmen“ aus den Bereichen Solarenergie, Windkraft und vegane Nahrungsmittel beschäftigt. Ein weiteres Beispiel ist das Unternehmen Nikola, das den Schwerlastverkehr auf der Straße revolutionieren und dazu einen Wasserstoff-LKW bauen wollte – mitsamt der dazugehörigen Ladeinfrastruktur. 2020 war die Aktie für viele das Must-have schlechthin an der Nasdaq. Als die Firma mit schicken PowerPoint-Folien ihre Pläne präsentierte, war die Börsenpresse hellauf begeistert, der Hype war enorm. Mitte 2020 ging Nikola dann per SPAC an die Börse, Ausgabepreis 10 Dollar je Aktie. Innerhalb kürzester Zeit schoss der Börsenkurs in der Spitze auf fast 100 Dollar und eine absurde Marktkapitalisierung hoch! Ziemlich ambitioniert für ein paar PowerPoint-Folien! Aus Angst, etwas zu verpassen, wurde die Aktie blind gekauft. Es grassierte FOMO, also die „Fear of missing out“, wie es manche „Finanzexperten“ gerne nennen. Aber außer Luftschlössern hat Nikola operativ weitgehend nichts zustande gebracht. Der IPO-Erlös hat sich längst in Luft aufgelöst, die Firma hat einen Berg Schulden, verbrennt Geld und steht am Rand der Pleite. Der einstige Stern am Börsenfirmament ist zum Penny Stock verglüht.

Spekulanten sind Firmen wie Apple, Procter & Gamble, Colgate-Palmolive oder Church & Dwight eben zu langweilig. Geduldige Investoren wissen jedoch: Mit erfolgreichen Investments ist es wie mit Spitzenweinen. Beide brauchen Zeit zum Reifen. Dies gilt auch für unsere Portfoliounternehmen Hermès, L’Oréal und Rational, die jüngst ihre Zahlen vorgelegt haben. Neben dem aktuellen Geschäftsverlauf interessiert uns als Langfristinvestoren aber vor allem, wie sich unsere Firmen langfristig entwickeln und warum dies so ist, um daraus unsere Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Damit sind wir auch schon bei einer Firma, der wir nicht nur im Rückblick, sondern auch für die Zukunft aus voller Überzeugung das Prädikat „sagenhaft“ verleihen.

Je teurer, desto besser

Jüngst berichtete unser Portfoliounternehmen Hermès über den Geschäftsverlauf im ersten Quartal. Neben Hermès ebenso auch weitere Firmen aus dem Luxusgütersegment. Während Wettbewerber wie z. B. Kering (u.a. Gucci, Brioni, Bottega Veneta) im Vergleich sowohl im abgelaufenen Quartal als auch langfristig deutlich abfallen, stechen seit langem zwei Luxusgüterhersteller positiv heraus: LVMH und Hermès. Beide Unternehmen haben auch im berichteten Quartal abermals beeindruckende Ergebnisse abgeliefert. Beteiligt sind wir jedoch nur an einer der beiden Firmen. Zweifelsohne sind beide erstklassige Firmen. Nicht umsonst ist LVMH inzwischen das mit einer Börsenkapitalisierung von 450 Mrd. Euro wertvollste europäische Unternehmen und weltweit unter den Top 10. Trotzdem sind wir bei LVMH nicht investiert. Warum nicht? Weil Hermès in unseren Augen das „erstklassigere“ Unternehmen ist. LVMH besitzt zwar starke Marken wie Dior und Louis Vuitton, mit denen LVMH hauptsächlich verdient. Zugleich befinden sich aber auch etliche kleinere Marken im LVMH-Portfolio von Uhren- über Parfum- bis Retail-Marken (wie z.B. Rimowa), die größtenteils margenschwach sind. Hermès hingegen bleibt seiner Strategie konsequent treu und die lautet kompromisslos: High End-Luxus. Dies ist der Grund, warum Hermès im Luxussegment in einer eigenen Liga spielt und selbst LVMH deutlich hinter sich lässt. Konsequenz hat dies auch für die Resilienz des Geschäfts. In einer Rezession sitzt das Geld bei etlichen (Luxusprodukt-)Konsumenten nicht mehr ganz so locker, weshalb der Absatz von „mittel-teuren“ (Wettbewerber-)Marken leidet. Auf High End-Produkte von Hermès wird jedoch auch in der Rezession nicht verzichtet, schlichtweg, weil die Hermès-Klientel es sich leisten kann. Auch beim Thema Luxus gilt somit: Luxus ist nicht gleich Luxus.

Wenige Tage vor Hermès präsentierte vor kurzem LVMH einen dynamischen Umsatzanstieg von 17% im ersten Quartal 2023 (Q1). Damit lag die Latte für Hermès recht hoch. Doch mit einem organischen Umsatzwachstum von 23% nahm Hermès diese Hürde fast schon mit Leichtigkeit. In allen Regionen und Segmenten entwickelt sich das Geschäft hochdynamisch, von einer Abschwächung ist nicht die geringste Spur zu erkennen. Während LVMH mit Hennessy in den USA eine kleinere Baustelle hat (die kräftigen Preiserhöhungen haben hier möglicherweise doch etwas stärker auf den Absatz gedrückt), glänzt Hermès in allen Sparten. Angetrieben vom Reisegeschäft kletterte der Umsatz in Q1 auf 3,38 Mrd. Euro. Damit setzte Hermès in einem einzigen Quartal rund halb so viel um wie im ganzen Vor-Corona-Jahr 2019! Alle Regionen legten stark zweistellig zu, wobei Asien ex Japan u.a. von einem sehr guten Geschäftsverlauf rund um das chinesische Neujahr profitierte. Besonders dynamisch wächst der Umsatz in Japan und Europa, wo vor allem der Tourismus das Geschäft antreibt.

Die stärkste Dynamik verzeichnete der zweitgrößte Geschäftsbereich Ready-to-Wear/Accessories (z.B. Gürtel, Hüte, Schuhe, Krawatten, etc.) mit einem Plus von 34%, nachdem die Frühjahrs- und Sommerkollektionen gut angelaufen sind. Das wichtige Ledergeschäft, das 2022 rund 45% zum Konzernumsatz beisteuerte, wuchs in Q1 mit 19% ebenfalls rasant. Um mit der ungebrochenen Nachfrage auch in Zukunft Schritt zu halten, ohne eine Beeinträchtigung der Produktqualität zu riskieren, baut Hermès seine Kapazitäten mit strategischem Weitblick aus und eröffnete im ersten Quartal eine neue Werkstatt in Louviers. Eine weitere Lederwerkstatt nahm vor kurzem in Charleville-Mezieres den Betrieb auf. Das ist die Lederwerkstatt Nummer 26, von denen sich alle in Frankreich befinden. Für die Authentizität der Marke ist diese lokale Verankerung von allergrößter Bedeutung. Weitere Produktionsstätten werden in den nächsten Jahren folgen. Insgesamt beschäftigt Hermès übrigens 4.700 Sattler und Gerber.

Der Ausbau der Kapazitäten ist ein sehr gutes Beispiel für die vorausschauende Unternehmensführung von Hermès. Zwar kommt es bei Luxusgütern nicht zuletzt darauf an, das Angebot relativ zur Nachfrage knapp zu halten. Allerdings darf man den Bogen dabei auch nicht überspannen. Sonst bleibt nicht nur zu viel Umsatz- und Wachstumspotenzial auf der Strecke; vor allem riskiert man die Spitzenstandards bei der Produktqualität, wenn ständig am Anschlag produziert wird. Es ist daher höchst sinnvoll und unternehmerisch weitsichtig, die Kapazitäten in Einklang mit der Nachfrage mitwachsen zu lassen. Denn immerhin verdoppelt sich bei Hermès der Umsatz alle fünf bis sechs Jahre, wenn das Wachstumstempo der letzten zehn Jahre von rund 13% p.a. beibehalten werden kann. Einiges spricht sogar dafür, dass Hermès nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Inflationskrise auf einen noch höheren Wachstumspfad eingeschwenkt sein könnte.

Bei Seide und Textil steigerte Hermès den Umsatz um 20%. Anders als bei LVMH läuft bei Hermès auch das Geschäft mit Uhren auf Hochtouren. Der Umsatz legte dynamisch um 25% zu, während sich Konkurrent LVMH mit genaueren Angaben zu seiner Uhrensparte bedeckt hielt. Sehr stark entwickelt sich auch das „sonstige“ Geschäft (oW +28%), das inzwischen einen Anteil von über zehn Prozent am Umsatz ausmacht. Darunter subsumiert Hermès u.a. die Bereiche Schmuck und Homeware, wo es um die Innenausstattung von Häusern und Yachten geht. Die Margen in diesem Geschäft dürften besonders stolz sein. Es hat also seine Gründe, dass sich Hermès hier nicht in die Karten blicken lässt. Gemessen an dieser stürmischen Geschäftsentwicklung hinkt das Segment Perfume / Beauty mit einem Wachstum von +7% zwar hinterher. Der Bereich steuert aber auch nur rund 4% zum Gesamtumsatz bei.

Seit vielen Jahren steigert das für seine ikonischen Luxusprodukte wie die Kelly Bag und Birkin Bag bekannte Unternehmen seinen Umsatz beständig und verlässlich mit zweistelligen Wachstumsraten. Zwar bescherte die Corona-Pandemie – bedingt durch geschlossene Läden und den Einbruch im Tourismus – auch der Geschäftsentwicklung von Hermès einen leichten Dämpfer. Doch selbst im 1. Halbjahr 2020 hatte Hermès mit einem Mini-Free Cashflow von 27 Mio. EUR bzw. 1,1% Free Cashflow-Marge anders als die meisten anderen Luxusfirmen trotz der über Monate geschlossenen Geschäfte kein Geld verbrannt! Diese sagenhafte Resilienz des Geschäftsmodells stellte Hermès nicht das erste Mal unter Beweis. Zudem war diese „Scharte“ nicht nur schnell wieder ausgemerzt. Vielmehr erwies sich die Pandemie schlussendlich sogar als Katalysator (z.B. beim Online-Vertrieb), der das Wachstum von Hermès noch einmal beschleunigte. Auch die Margen kletterten auf neue Rekordniveaus.

Langfristige Exzellenz: Geschäftsmodell

Quelle: Geschäftsberichte Hermès, Wagner & Florack AG

Jahr für Jahr zweistellig zu wachsen, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zweifelsohne bietet Hermès Produkte an, die bei den Schönen & Reichen dieser Welt heiß begehrt sind und die dem Unternehmen von seiner zahlungskräftigen Klientel förmlich aus der Hand gerissen werden. Doch ohne die nötige operative Exzellenz und den kompromisslosen Fokus auf die maximale Qualität der Produkte wäre eine solche Erfolgsserie kaum vorstellbar. Denn Erfolg ist vergänglich, wenn man satt, selbstgefällig und überheblich wird. Zum Glück müssen wir uns als langfristige Miteigentümer von Hermès aber keine Sorgen darüber machen, dass sich das Unternehmen auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruht. So wies CEO Dumas in einem Interview mit dem Le Figaro im Jahr 2022 darauf hin, dass Hermès gerade jetzt wachsam sein müsse, da Momente großer Erfolge genauso gefährlich seien wie Zeiten, in denen ein Unternehmen echte Probleme hat. Hermès müsse die Kunden weiter für die Produkte interessieren und vor allem kompromisslos die Qualität aufrechterhalten. Das ist unseres Erachtens genau die richtige Einstellung, um die einzigartige Erfolgsgeschichte von Hermès in Zukunft weiter fortzuschreiben.

Ein konsistent starkes Wachstum über viele Jahre hinweg setzt eine hohe operative Exzellenz voraus, vom Einkauf über die Produktion bis hin zur Distribution. Was für eine glänzend funktionierende Firma Hermès ist, sieht man allein daran, dass heute ein mehr als doppelt so hoher Umsatz geräuschlos exekutiert wird wie noch vor fünf Jahren. Bei Automobilherstellern würde es bei einem derartigen Wachstum urplötzlich eine Explosion von Rückrufen und außerplanmäßigen Werkstattaufenthalten geben. Bei Hermès kann man dagegen sicher sein, dass sie ohne Druck weiter nur die besten Rohstoffe auswählen, in Ruhe und ohne Zeitdruck jede Ledertasche, jeden Gürtel, jeden Ring und jede Uhr in perfekter Handwerksqualität herstellen, vorsichtig verpacken und umsichtig transportieren, um dann den Kunden das erlesene Produkt mit Hingabe und Stolz zu präsentieren.

Die Serie immer neuer Rekorde, die Hermès über viele Jahre hinweg aufgestellt hat, ist sagenhaft. So hat sich z.B. der Umsatz in den zurückliegenden fünf Jahren von 5,5 Mrd. Euro in 2017 auf 11,6 Mrd. Euro in 2022 verdoppelt und der Free Cashflow hat sich sogar mehr als verdoppelt. Dabei gelingt es dem Management, Hermès auf die attraktivsten Produktkategorien (Lederwaren) und die dynamischsten Absatzregionen der Welt zu fokussieren. Stand die Region Asien-Pazifik (ex Japan) im Jahr 2012 noch für einen Umsatzanteil von gut 32%, wird dort zehn Jahre später rund die Hälfte des Umsatzes generiert. Im Geschäftsjahr 2022 erreichte sowohl die operative Marge mit 40,5% als auch die Free Cashflow-Marge mit 29,3% wie fast jedes Jahr neue Rekordhöhen. Im 5-Jahreszeitraum konnte Hermès den Free Cashflow deutlich mehr als verdoppeln auf 3,4 Mrd. EUR und im 10-Jahreszeitraum verfünffachen, während die Free Cashflow-Marge immer weiter nach oben geschraubt wurde, unterbrochen nur durch die pandemiebedingten Verwerfungen. In dieser Top-Liga spielen weltweit ansonsten lediglich Apple, Google, Microsoft, Visa und Meta. Es gibt nur sehr wenige Firmen, die da heranreichen, wie etwa Danaher oder Johnson & Johnson. Zur besseren Einordnung: Etliche Firmen auf dem weltweiten Kurszettel sind Free Cashflow-negativ, nicht allzu viele Firmen schaffen verlässlich eine zweistellige Free Cashflow-Marge.

Auch die Bilanz von Hermès strotzt folglich nur so vor Stärke mit einer traumhaften Eigenkapitalquote von 80%, wenn man die nach IFRS 16 bilanzierten Ladenmieten herausrechnet, und einer Nettokasse von 9,2 Mrd. Euro. Alleine das kurzfristige Vermögen ist mehr als doppelt so hoch wie sämtliche kurz- und langfristige Verbindlichkeiten. Und mit einem RoCe von fast 140% ist die Verzinsung des eingesetzten Kapitals schlicht und ergreifend sensationell. Kein Wunder also, dass Hermès seit Jahrzehnten hoch bewertet ist, was jedoch als die (logische) Ableitung der herausragenden Qualität des Geschäftsmodells zu sehen ist. Langfristig – und das ist der für uns relevante Zeithorizont – honoriert der Kapitalmarkt also die eindrucksvolle operative Exzellenz von Hermès. Erfreulicherweise hat sich die Aktie aber auch auf kürzere Sicht sehr positiv entwickelt. So hat sich der Aktienkurs seit dem Sommer 2022 verdoppelt und notiert auf einem neuen Allzeithoch.

Langfristige Exzellenz: Unternehmenswertsteigerung

Das stetig sehr hohe Wachstum der einzigartigen High End-Luxusmarke, die branchenführenden, sehr hohen Margen, die skalenbedingt extrem hohe Kapitalverzinsung und herausragende Bilanzqualität sowie die umsichtige Führung des Geschäfts sind eine Kombination von Superlativen, die man auf dem Kurszettel extrem selten findet. Übrigens inklusive der enormen Robustheit des Geschäfts in der Rezession: Hermès ist selbst 2008, 2009 und 2010 satt gewachsen und hat seine Margen dabei stetig erhöht. Mit der Empfehlung, Luxusaktien zu meiden, weil sinkende Umsätze zu befürchten seien, wird die Analystenzunft bei der nächsten Rezession wohl erneut falsch liegen.

Fazit:

Hermès blickt ausgesprochen zuversichtlich in die Zukunft und hat allen Grund dazu. Trotz oder gerade wegen der mannigfaltigen Unsicherheitsfaktoren bezüglich Konjunktur, Krieg und Kaufkraft entwickelt sich das Geschäft extrem robust und profitiert von der maximal hohen Preissetzungsmacht, der Kompromisslosigkeit in puncto Qualität, den einzigartigen Marken und den hohen Skaleneffekten des Geschäftsmodells.

Hermès ist eine herausragende Firma, die nicht nur in ihrer Peer Group in einer eigenen Liga spielt. Beim langfristigen Umsatzwachstum, der Margenhöhe, dem Margenwachstum, bei der Bilanzqualität sowie bei allen wichtigen „Burgmauer“-Kriterien des Geschäftsmodells kann sich Hermès locker mit den besten börsennotierten Firmen dieser Welt messen. Bereits viele Jahre partizipieren wir als Miteigentümer von Hermès an dieser Erfolgsgeschichte und werden das auch weiterhin tun, die laufende Kontrolle des Geschäftsmodells und dessen Übersetzung in Zahlen als unverzichtbare Hausaufgabe vorausgesetzt. In diesem Sinne weiter so, Hermès: Je teurer, desto besser.

Auch bei unserem Portfoliounternehmen L’Oréal florieren die Geschäfte. Der Umsatz in Q1 2023 springt um 13% auf 10,4 Mrd. Euro (berichtet +14,6%). Sensationell entwickelt sich das Geschäft mit dermatologischer Kosmetik, wozu z.B. die Marken La Roche-Posay und CeraVe gehören. Hier schnellt der Umsatz um über 30% empor. Mit einer Ausnahme legen alle Absatzregionen zweistellig zu. Aus der Reihe fällt dabei die Entwicklung in China. Eigentlich hätte man meinen können, dass das organische Wachstum nach dem Ende der Lockdowns spürbar anzieht. Auf die Nachfrage trifft das auch zu, doch die Händler haben erst einmal ihre Lager abgebaut. Das laufende Q2 dürfte dafür ein umso höheres organisches Wachstum in China bringen mit gutem Absatz und Lageraufbau im Retail.

Mit der Übernahme der Luxusmarke Aesop von Natura (The Body Shop, Avon) will L’Oréal das Geschäft mit Luxuskosmetik weiter ausbauen. Die Produkte von Aesop bestechen durch ihr unverwechselbares Design, die dunkle Optik und natürlich die sportlichen Preise. Die geplante Umsatzverdopplung auf 1 Mrd. „in den kommenden Jahren“ klingt auf den ersten Blick ambitioniert, ist bei Wachstumsraten von über 20% (2022: 21%) aber fast schon ein Selbstläufer, zumal die Power des Vertriebsnetzwerkes von L’Oréal zusätzlichen Schub verleihen wird und Aesop zudem seit letztem Jahr auch im chinesischen Markt präsent ist.

Bei den stolzen Preisen sind auch die Margen von Aesop entsprechend attraktiv; eine Rohmarge von über 80% ist jedenfalls phänomenal. Im Übrigen erkennt man daran, dass auch teure Seifen und Cremes auf Basis natürlicher Inhaltsstoffe in der Produktion nur relativ wenig kosten. Gleichzeitig ist das Potenzial dieses Marktes gigantisch, denn L’Oréal wird die Marke nun in seine Vertriebskanäle bringen. Das könnte eine ähnliche Wachstumsstory werden wie CeraVe. CeraVe ist wohl einer der erfolgreichsten Deals in der ganzen Branche. Innerhalb von fünf Jahren nach Closing hat sich der Umsatz verzehnfacht und CeraVe ist eine von 11 L’Oréal-Marken mit einem Milliardenumsatz.

Für L’Oréal ist der Ausbau der Luxuskosmetik somit ein sinnvoller Schritt, der dem Konzern eine weitere wachstumsstarke Marke einverleibt und die Preissetzungsmacht stärkt. Summa summarum demonstriert L’Oréal, wie es krisenbeständige Firmen mit attraktiven Produkten schaffen, auch unter allgemein schwierigen konjunkturellen Rahmenbedingungen in ihrem operativen Geschäft verlässliche Bestmarken zu erzielen und darüber hinaus ihre starke Bilanz für geschickte Übernahmen zu nutzen und somit aus der Schwäche von Wettbewerbern Kapital zu schlagen.

 

Rational – Zukauf

Der bayerische Hersteller von Groß- und Industrieküchengeräten Rational ist operativ ebenfalls weiter in Topform und stellte gleich zwei unternehmenshistorische Rekorde auf. Der Umsatz wuchs gegenüber dem Vorjahr um über 30% und übertraf im Geschäftsjahr 2022 mit 1.022 Mio. Euro erstmals die Milliarden-Schallmauer. Auch beim Quartalsumsatz verzeichnete Rational in Q4 2022 mit einem Wachstum von 50% auf 290 Mio. einen neuen Rekord. Gegenüber dem Wachstum in Q3 von 33% war das noch mal eine deutliche Beschleunigung. In jedem Quartal des Jahres 2022 konnte Rational beim organischen Umsatzwachstum einen neuen Höchstwert erzielen. Im Vergleich zum Vor-Coronajahr 2019 beträgt das Umsatzplus 21%! Hohe 29% des Umsatzes entfallen dabei auf das margenträchtige After Sales-Geschäft (Pflegeprodukte, Zubehör, Dienstleistungen).

Kernmarkt der Firma ist unverändert Europa (55%). In Deutschland erwirtschaftet Rational nur 12% seines Umsatzes. So viel zum Thema „Rational = ein deutsches Unternehmen“! Doch das Wachstum und die Bedeutung der außereuropäischen Märkte nehmen stetig zu. Das Wachstum spielt sich hier vor allem in Nord- und Südamerika sowie in Asien ab, wobei Asien/China aufgrund der restriktiven Corona-Lockdowns im Geschäftsjahr 2022 mit +3% de facto stagnierte. Das lässt für 2023 entsprechende Nachholeffekte erwarten.

Da sich die Beschaffungskosten im zweiten Halbjahr weiter normalisiert haben (aber noch nicht wieder ganz auf Normalniveau gesunken sind), die wachsende Produktion Skaleneffekte generiert und Rational die Gerätepreise erhöht hat, konnte die Bruttomarge im Geschäftsjahr 2022 stabil gehalten werden. Eine hervorragende Leistung! Die operative Marge wurde trotz hochgefahrener Vertriebsaktivitäten nach dem Ende der Lockdowns / Reisebeschränkungen sogar deutlich um 300 bps gesteigert, das besonders dynamische After Sales-Geschäft hat dabei geholfen. Die um die Veränderungen des net working capital bereinigte Free Cashflow-Marge ist wegen der Entspannung bei den Beschaffungskosten mit 19,6% wieder auf dem langfristigen Normalniveau; berichtet beläuft sich die Free Cashflow-Marge auf 11,2%. Zur Erklärung: Zum Bilanzstichtag hat Rational als Folge der besonders hohen Produktion bzw. Auslieferungen im Dezember (=> Abarbeitung des Auftragsberges, weil wieder genügend elektronische Bauteile verfügbar sind) sehr hohe Forderungen aus Lieferung und Leistung aufgebaut. Mit der schrittweisen Abarbeitung des Auftragsberges, der Ende 2022 noch leicht erhöht war, wird sich diese Unwucht sukzessive abbauen, so dass auch die berichtete Free Cashflow-Marge wieder in den Normalbereich aufwachsen kann.

Die Prognose des Unternehmens für 2023 von 9% organischem Umsatzwachstum kam bei etlichen Analysten hingegen nicht gut an. Sie sehen in ihr eine Verlangsamung des Wachstumstempos, was nach Wachstumsraten von 27% in 2022 und 20% in 2021 korrekt erscheint. Jedoch gilt es unbedingt zu berücksichtigen, dass das Geschäft von Rational durch die Lockdowns und Reisebeschränkungen stark verzerrt wurde. 2022 hat Rational nach dem weitgehenden Ende von Lockdowns (temporäre Ausnahmen in China) die zuvor aufgestaute Nachfrage und folgend extrem hohe Auftragseingänge zum Teil abgearbeitet, was zu dem sehr hohen organischen Umsatzwachstum (oW) von 27% führte. Und in 2021 wurden erste zurückgestellte Bestellungen nachgeholt, so dass das Wachstum wegen der extrem niedrigen Vergleichsbasis von 2020 (-7% oW 2020 wegen der weltweiten Lockdowns und folgend zurückgestellter Kundenbestellungen) hoch war.

Schaut man sich den aussagekräftigeren 4-Jahreszeitraum von 2019 (also dem Jahr vor Corona im „eingeschwungenen“ Geschäftszustand) bis 2022 an, so beträgt die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des organischen Umsatzwachstums 6,2% (kumuliert 27,2%). Im 10-Jahreszeitraum von 2013 bis 2022 beträgt sie 9,4% (kumuliert +145,8%).

Mit der Prognose für 2023 von 9% organischem Umsatzwachstum kehrt Rational bei sich allmählich wieder normalisierendem Geschäftsverlauf also auf das langfristige und sehr gute Wachstumsniveau von rund 9% zurück, überwindet damit die „Corona-Bremse“ und arbeitet den Nachholbedarf zum Corona-Ende vollständig ab. Dass etliche Analysten in ihrer ersten Reaktion nach Bekanntgabe der Prognose Molltöne anstimmten und der Kurs der Rational-Aktie gen Süden schwenkte, haben wir für eine Aufstockung unser Rational-Unternehmensbeteiligung zu einem Kurs von knapp 590 Euro je Aktie genutzt.

Die Bilanz: Brillant wie eh und je. Die Netto-Finanzposition beträgt trotz der höheren 2021er Dividende rund das 2,3-fache des net working capital bereinigten Free Cashflows, alleine das kurzfristige Vermögen ist 3-mal höher als sämtliche kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten. Die EK-Quote ist mit 75,2% weiter sehr hoch, das RoCe ist mit rund 91% (auf Basis des net working capital bereinigten Free Cashflows) extrem hoch. Die angekündigte weitere Steigerung der Dividende für 2022 kann Rational vollständig aus dem net working capital bereinigten Free Cashflow bedienen (und rd. 20 Mio. EUR ins Firmen-Portemonnaie legen).

Interessant ist auch, dass Rational für den schnell wachsenden chinesischen Markt ein eigenes, auf die örtlichen Bedürfnisse zugeschnittenes Gerät entwickelt, das in China zusammen mit lokalen Lieferanten gebaut und ab 2025 vermarktet werden soll. Wir denken, dass sich dieses Gerät ebenso in anderen Emerging Markets gut verkaufen lassen sollte. Die Entwicklungskosten für das neue Gerät werden dieses Jahr die operative Marge leicht einbremsen, das organische Wachstum soll sich mit dem Abarbeiten des Auftragsberges wieder im hohen einstelligen (Normal-)Bereich einpendeln.

Fazit: Rational ist eine erstklassige Firma, die grundsolide geführt wird!

Unsere Conclusio – und die ist wenig überraschend – lautet daher: Investieren statt spekulieren. Langfristiges Investieren mit unternehmerischem Verstand in resiliente und profitable Weltklassefirmen. Das führt zum langfristigen Investmenterfolg. Oder um es mit Warren Buffett zu sagen: „When we own portions of outstanding businesses with outstanding managements, our favorite holding period is forever.“

In diesem Sinne, mit herzlichen Grüßen,  

Dominikus Wagner und Dr. Dirk Schmitt

 

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Glossar:

CCR = Cash Conversion Rate

EK = Eigenkapital

EV = Enterprise Value

1FCF = Free Cash Flow. Das Nachsteuerergebnis ist nicht der Unternehmensgewinn, sondern der freie Barmittelzufluss (Free Cash Flow), da nur der Free Cash Flow Abschreibungen, Betriebskapital (working capital) und Investitionen berücksichtigt. Der wirkliche Unternehmensgewinn, der Free Cash Flow, ist für uns eine maßgebliche Bezugsgröße für die Unternehmensbewertung. 

FY = Financial Year

FYe = expected Financial Year

2nwc = Net working capital. Warum wir uns den um die net-working-capital-Veränderungen bereinigten Free Cash Flow anschauen: Der Lagerwert ist bei allen Herstellern physischer Güter wegen der Lieferkettenprobleme deutlich erhöht. Denn die Hersteller physischer Güter legen sich wegen der gestörten Lieferkette derzeit sämtliche Vorprodukte ins Lager, derer sie habhaft werden können.  Das derzeit hohe im Lager gebundene Cash wird nach dem Bilanzstichtag mit dem Abverkauf der Produkte „befreit“ und sozusagen verspätet als echtes Cash im Cash Flow-Statement gezeigt. Somit ist der net-working-capital-bereinigte Free Cash Flow die validere Kennzahl zur Bewertung der Profitabilität einer Firma unter der Bedingung selbstverständlich, dass die jeweilige Firma nicht auf dem Lager „sitzen bleibt“ oder Lagerabwertungen vornehmen muss.

oW = organisches Umsatzwachstum

Q1, Q2 usw. = Quartal 1, Quartal 2 usw.

3RoCe = Return on Capital employed. Wir legen großen Wert auf eine valide und konservative Struktur der eingesetzten Kennzahlen und berechnen das RoCe daher als Free Cash Flow im Verhältnis zum Eigenkapital plus Nettofinanzschulden bzw. abzgl. Nettofinanzposition plus relevante, langfristige Rückstellungen wie Pensions- und Leasingverpflichtungen.

Stand der Daten: 26.04.2023