Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Investoren,
die Sprachmodelle für Künstliche Intelligenz entwickeln sich mit rasender (exponentieller) Geschwindigkeit; gleichwohl steckt der technische Fortschritt immer noch in den Kinderschuhen. Auch bei den Investorenkonferenzen anlässlich der jüngsten Quartalsberichte von Google und Microsoft war Künstliche Intelligenz DAS beherrschende Thema. Schließlich geht es um gewaltige Summen. So haben die beiden KI-Protagonisten allein im Quartal von Januar bis März 2024 zusammen genommen die atemberaubende Summe von 44 Mrd. US-Dollar für Forschung & Entwicklung und Investitionen aufgewendet. Das sind enorme 33,5% des gemeinsamen Umsatzes, die in die Zukunft der Unternehmen und den weiteren Ausbau ihres Vorsprungs fließen. Und trotzdem strotzen diese Ausnahmefirmen mit Free Cash Flow-Margen von bis zu 30% und mehr nur so vor Profitabilität. Branchen wie die Pharma-Industrie sind zwar ähnlich forschungsintensiv. Doch obwohl die Plattformunternehmen Google und Microsoft in absoluten Beträgen ein Vielfaches für F&E und Investitionen ausgeben, verdienen sie trotzdem – absolut und prozentual – um Welten mehr.
Verliert Apple bei KI den Anschluss?
Ein Name, der im Zusammenhang mit KI jedoch nur selten fällt, ist Apple. Es wäre jedoch nicht das erste Mal, dass Apple unterschätzt wird. Richtig ist, dass Apple fast nie DER Innovator war. So gab es beispielsweise Touch-Displays auch schon vor dem iPhone. Die einzigartige Stärke von Apple liegt vielmehr darin, technische Innovationen mit ästhetisch und funktional hochqualitativen Produkte zu vereinen, um damit das Apple-„Ecosystem“ aus Produkten, Software und Services immer weiter auszubauen. Wie sehr die Kunden dieses Ökosystems schätzen, zeigt sich an der extrem hohen Kundenzufriedenheit und -treue. Gleichzeitig gelingt es Apple, mit seinen attraktiven Produkten und Services immer mehr neue Nutzer, gerade auch in den schnell wachsenden Schwellenländern, zu begeistern. So kaufte sich unter den MacBook Air-Käufern im März-Quartal etwa jeder zweite zum ersten Mal einen Mac.
Dank seines riesigen Netzwerkes und seiner Mega-Finanzkraft hat Apple jegliche Kompetenz für jede Technologie. Apple muss deshalb nicht der First Mover am Markt sein, sondern kann den Start seiner Produkte sorgfältig und in Ruhe vorbereiten, um anschließend das Marktpotenzial nach und nach auszuschöpfen. Auch wenn Wettbewerber Samsung bereits ein KI-Handy auf dem Markt hat, war es historisch gesehen meist so, dass nicht der Innovator den größten Teil der Wertschöpfung auf sich zieht, sondern „die zweite Maus den Käse bekommt“.
So ist Apple auch für das KI-Zeitalter bestens aufgestellt. Mit einer installierten Basis von über 2,2 Milliarden Geräten verfügt Apple nicht nur über eine enorme und stetig wachsende Kundenbasis, sondern auch über einen unfassbar riesigen Datenschatz an Nutzerinformationen, der sich mithilfe von KI zu immer mehr sinnvollen und maßgeschneiderten Services für die Kunden einsetzen lässt und damit das „Ecosystem“ auf immer mehr Bereiche des alltäglichen Lebens ausdehnt. Apple muss also nicht Google oder Microsoft nacheifern, sondern Apple muss einfach nur Apple sein, um am Ende unseres Erachtens als einer der größten Profiteure des KI-Booms dazustehen.
Q2 2024: Apple überzeugt mit starken Geschäftszahlen und steht erst am Anfang
Dazu verfügt Apple über eine exzellente Ausgangsbasis, wie die Geschäftszahlen zum zweiten Quartal 2024 (Januar bis März) erneut eindrucksvoll unter Beweis stellen. Mit 90,7 Mrd. USD verbuchte Apple zwar einen berichtet um 4,3% rückläufigen Umsatz. Neben negativen Wechselkurseffekten (-140 Basispunkte) ist jedoch zu berücksichtigen, dass es im Vorjahr nach vorausgegangenen Lieferengpässen (coronabedingte Werksschließung in China im Weihnachtsquartal 2022) zu einem Nachholeffekt bei den iPhone-Auslieferungen kam, den Apple auf 5 Mrd. USD taxiert.
Bereinigt um diese beiden Effekte ist Apple somit trotz schwieriger Rahmenbedingungen organisch sogar leicht gewachsen. Maßgeblich dazu beigetragen haben die zweistellig gewachsenen Service-Umsätze, die organisch um 15,6% auf ein neues Allzeithoch von 23,9 Mrd. USD gestiegen sind und somit jeden vierten Umsatzdollar generieren (26,3%). Damit ist Apple auf Kurs, die Services dieses Jahr zu einem 100 Mrd. USD-Geschäft auszubauen, was mehr als einer Verfünffachung in nur zehn Jahren entspricht. Und im gleichen Zeitraum hat sich der Umsatzanteil der Services von 9,9% im Geschäftsjahr 2013 auf 22,2% im Geschäftsjahr 2023 mehr als verdoppelt! Die Services sind somit eindeutig das wahre Herzstück des „Ecosystems“, das iPhone und die anderen Geräte sind die „Einstiegsdroge“. Durch das dynamische Wachstum der Services – in den letzten zehn Jahren hat sich der Service-Umsatz auf über 40 USD pro aktives Gerät und Jahr verdoppelt – wächst der Umsatz auf Konzernebene daher selbst in Phasen, in denen der Geräteumsatz eher moderat zulegt, wie dies in den letzten Quartalen der Fall war.
Quelle: Geschäftsbericht Apple, Wagner & Florack
Wachstumsmotor Schwellenländer – Indien = das neue China
Wer nun meint, beim Geräteumsatz sei das Ende der Wachstums-Fahnenstange erreicht, dürfte in den kommenden Jahren eines Besseren belehrt werden, denn auch bei der Hardware verfügt Apple über immenses Wachstumspotenzial. So besteht gerade beim Geschäft mit Unternehmenskunden, den sog. Enterprise Markets, erhebliches Wachstumspotenzial. Bei immer mehr Unternehmen gehören das iPhone und iPad zur Standardausstattung für das mobile Arbeiten.
Und mit Vision Pro-Brille hat Apple inzwischen eine neue Produktkategorie geschaffen, die für viele Unternehmen ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Mitarbeitern sowie der Interaktion mit Kunden bietet. Die Vision Pro unterstreicht die Kompetenz und Innovationskraft von Apple, wenngleich deren Erfolg – auf den Apple nicht angewiesen ist! – erst noch abzuwarten bleibt. Zudem kann man den Eindruck gewinnen, dass vielen „Marktteilnehmern“ und Analysten überhaupt nicht klar ist, wie geschickt Apple auch bei der Gestaltung seiner Hardware-Landschaft agiert. Denn das Schöne ist, dass sich die verschiedenen Geräte kaum kannibalisieren, sondern zueinander komplementär sind, d.h. es ist typischerweise nur eine Frage der Zeit, bis sich der Erstkäufer eines iPhones nach und nach weitere Geräte wie ein iPad oder eine Apple Watch zulegt. Auch solche komplementären Käufe werden den Geräteumsatz zukünftig weiter antreiben.
Enormes Potenzial für weiteres Wachstum bieten darüber hinaus auch die Schwellenländer. So wächst Apple in den meisten Schwellenländern zweistellig, obwohl bislang nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ein iPhone, iPad, einen Mac oder eine Apple Watch besitzt. Von Quartal zu Quartal vermeldet Apple zahlreiche neue Allzeitrekorde in den Schwellenländern, so zuletzt im zweiten Quartal beispielsweise bei den iPhone-Umsätzen in Ländern wie Indonesien, Brasilien und Mexiko. In vielen dieser Länder ist die Bevölkerung sehr jung und wächst – im Unterschied zu China – sehr schnell. Mit fortschreitender Industrialisierung und wachsenden Einkommen steigen immer mehr Menschen in die Mittelschicht auf und wollen ihren sozialen Aufstieg zur Schau stellen, beispielsweise indem sie sich ein prestigeträchtiges iPhone zulegen.
Und China?
Hält diese Dynamik weiter an, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis Apple in den Schwellenländern mehr Umsatz macht als in China. Doch selbst der von Analysten kritisch beäugte chinesische Markt (Greater China, also Festland-China, Taiwan und Hong Kong) entwickelte sich im letzten Quartal besser als erwartet und konnte dank des iPhones gegenüber dem Vorquartal zulegen. In Festland-China stieg der iPhone-Umsatz auf berichteter Basis sogar gegenüber dem Vorjahr, wobei der oben erwähnte Effekt der Lieferkettenverzerrung (5 Mrd. USD) noch gar nicht berücksichtigt ist. Und trotz des Comebacks des chinesischen Wettbewerbers Huawei im Premium-Segment und trotz des neuen Galaxy Smartphones von Samsung mit all seinen KI-Funktionen sind nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Kantar das iPhone 15 und das iPhone 15 Pro Max die beiden am meisten verkauften Smartphones in Urban China. Damit verdeutlicht der gestiegene iPhone-Umsatz in China wieder einmal sehr eindrucksvoll, dass es sinnlos und irreführend ist, aus den Auslieferungen von Zulieferern, Lohnherstellern, Mobilfunkgesellschaften und Retailern auf Apples Quartalsumsatz mit dem iPhone zu schließen. Denn dabei wird völlig übersehen, dass es entlang der kompletten Wertschöpfungskette Lager gibt, aus denen ebenfalls Vor- oder Endprodukte verkauft werden, was von Analysten und Marktforschern aber nicht erfasst wird. Auch wenn klar sein müsste, dass der Lagereffekt zu strukturellen Fehleinschätzungen führt, wird für das vermeintlich exklusive Research von Marktforschern (zu) viel Geld bezahlt. Dumm nur, wenn die Daten – so wie im abgelaufenen Q2 – rückläufige Auslieferungen prophezeien, Apples iPhone-Umsatz in China tatsächlich aber gestiegen ist.
Apple-Aktie wird zum knappen Gut
Durch die Umsatzmixverschiebung hin zu den Services steigt die Rohmarge auf nie dagewesene 46,6%, wobei die Rohmarge bei den Services mit 74,6% doppelt so hoch ist wie bei der Hardware mit 36,6%, die wiederum deutlich höher ist als bei den Geräten der Konkurrenz. Die operative Marge beträgt trotz höherer F&E-Aufwendungen ebenfalls rekordhohe 30,7% und dank des enormen Free Cash Flows von 20,7 Mrd. USD (Free Cash Flow-Marge 22,8%) allein in einem Quartal, verfügt Apple über eine gigantische Feuerkraft um seine Investitionen z.B. für KI bei Bedarf jederzeit mit Leichtigkeit deutlich zu forcieren.
Quelle: Geschäftsbericht Apple, Wagner & Florack
Bei dieser phänomenalen Cash-Generierung ist es daher auch kein Wunder, dass die Aktienrückkaufprogramme immer höher dotiert werden müssen, um langfristig Net Cash-neutral zu werden. Durch den zunehmenden Einsatz von KI bei Hardware und Services ist dieses ausgerufene Ziel nicht unbedingt leichter zu erreichen. Denn der Ausbau des Ökosystems mit KI wird Apple mittel- bis langfristig auf einen noch höheren und noch profitableren Wachstumspfad heben mit der Folge, dass Apple immer noch mehr Free Cash Flow produziert. Das mit 110 Mrd. USD dotierte neue Aktienrückkaufprogramm dürfte daher nur vorläufig das größte aller Zeiten sein. Gleichzeitig wird Apple mit jeder Aktie, die diese höchstprofitable Gewinnmaschine zurückkauft, ein immer knapperes Gut.
Apple bleibt für uns in den Unternehmerfonds ein langfristiges Kerninvestment, an dem wir als Miteigentümer prächtig verdienen. Während bei Apple dreistellige Kapitalverzinsungen (RoCe = Return on Capital employed) von zuletzt 170% auf Basis des im Geschäftsjahr 2023 erzielten Free Cash Flows der Normalzustand sind, bleibt diese Dimension für 99% aller Firmen auf dem weltweiten Kurszettel geschäftsmodellbedingt für immer unerreichbar. Und weil Apple gemessen an der Qualität des Geschäftsmodells und dem riesigen Wachstumspotenzial durch das sich immer weiter ausdehnende „Ecosystem“ mit einem Enterprise Value vom 26-Fachen des für 2024 erwarteten Free Cash Flows alles andere als teuer bewertet ist, haben wir die Gunst des jüngsten Kursrücksetzers im April für moderate Zukäufe im Unternehmerfonds und im Unternehmerfonds flex genutzt.
Noch lässt sich Apple hinsichtlich seiner KI-Ambitionen nicht in die Karten schauen. Doch wenn CEO Tim Cook im Lauf des Jahres die ersten KI-Produkte und -Services vorstellen wird, dürfte auch den Skeptikern klar werden, dass Apple zum kleinen Kreis der großen KI-Gewinner zählt. Aber auch losgelöst von KI verfügt Apple über die beste Ausgangsposition für weiter hoch profitables Wachstum.
Henkel: Der Knoten ist geplatzt – Unsere Nachkäufe
„Bei Henkel ist (…) das Vertrauen in die Firma investorenseitig beschädigt… Erst wenn erkennbar wird, dass die Margen wieder steigen, dürfte Vertrauen in die Firma zurückkehren und sich dies auch bei der Aktienkursentwicklung bemerkbar machen.“
So lautete im November 2021 das Fazit unseres letzten ausführlicheren öffentlichen Updates zu Henkel. Da wir seinerzeit davon ausgingen, dass der Aktienkurs durch die pessimistisch gestimmten Analystenkommentare vermutlich erst einmal gedeckelt bleiben würde, hatten wir unsere ohnehin vergleichsweise geringe Gewichtung trotz der niedrigen Bewertung bewusst verwässern lassen und darüber hinaus sogar teilweise reduziert. Die Henkel-Aktie bremste die insgesamt sehr gute Performance der Unternehmerfonds in den letzten Jahren daher nur geringfügig.
Vor einigen Wochen hatten wir nun allerdings damit begonnen, in mehreren dosierten Schritten Henkel-Aktien nachzukaufen. Die Gewichtung von Henkel im Unternehmerfonds beläuft sich dadurch per Ende April auf 2,0% im Unternehmerfonds und 1,5% im Unternehmerfonds flex. Was sind die Gründe, weshalb wir davon überzeugt sind, dass der Knoten bei Henkel in operativer Hinsicht geplatzt ist und die Analystenzunft dies nicht länger ignorieren kann?
Wachstums- und Margenbremsen werden gelöst
Im Rahmen unserer fortlaufenden Kontrolle der Geschäftsentwicklung war uns bei Henkel nicht entgangen, dass das Management unter dem 2020 neu ins Amt gekommenen CEO Carsten Knobel erfreulicherweise an den richtigen Stellschrauben dreht. In den letzten Jahren war immer deutlicher zu erkennen, dass der Konzernumbau Wirkung zeigte. So erreichte z.B. die um das Net Working Capital bereinigte Free Cash Flow-Marge in der ersten Jahreshälfte 2023 beinahe wieder das langfristige Niveau der berichteten Free Cash Flow-Marge; zudem erhöhte Henkel erstmals seit Jahren nach Ablauf des ersten Halbjahres 2023 nicht nur den Ausblick für den Umsatz, sondern auch für die Bottom Line. Für uns war damit klar: Die Bremsen für den Unternehmensgewinn werden gelöst und die Restrukturierung trägt (erste) Früchte.
Es war uns aber auch klar, dass es noch Zeit brauchen würde, bis sich der Erfolg in den Geschäftszahlen so deutlich zu manifestieren beginnt, dass auch die negativ gestimmten Analysten wieder den Daumen heben.
Nur wenige Wochen nachdem Henkel seinen Ausblick für das Geschäftsjahr 2024 bekanntgab, veröffentlichte das Unternehmen Anfang Mai auf vorläufiger Basis sehr gute Geschäftszahlen für das erste Quartal und hob die erst kürzlich aufgestellte Guidance erneut an. Die Börse honorierte dies mit einem ordentlichen Kurssprung. Nach einer mehrjährigen Durststrecke sollte der Performance-Knoten bei Henkel damit nun endlich geplatzt sein. Wir sehen das Unternehmen jedenfalls auf dem richtigen Weg, um den Unternehmensgewinn und somit den Unternehmenswert mittel- bis langfristig weiter zu steigern und somit sukzessive auch das Vertrauen der Analystenzunft wieder zurückzugewinnen. Die Heraufstufungen einiger Analysten nach den Q1-Zahlen dürften unseres Erachtens jedenfalls erst der Anfang einer Neubeurteilung von Henkel gewesen sein. Damit aus dem bisherigen „Mini-Bremsklotz“ der insgesamt sehr erfreulichen Performance der Unternehmerfonds jedoch ein echter Werttreiber wird, kommt es darauf an, dass der Konzernumbau weiter konsequent umgesetzt wird, um die noch bestehenden Wachstums- und vor allem Profitabilitätsbremsen vollends zu lösen, so dass Henkel operativ wieder voll durchstarten kann.
Mehr Tempo und Effizienz durch integrierten Geschäftsbereich Consumer Brands
Henkel durchläuft schon seit einiger Zeit einen tiefgreifenden Transformationsprozess. In der ersten Phase stand dabei die Anfang 2022 initiierte Zusammenführung der beiden Konsumentengeschäfte Laundry & Home Care (z.B. Waschmittel, Geschirrspülmittel, Oberflächen- und WC-Reiniger) und Beauty Care (z.B. Schwarzkopf) zum neuen Unternehmensbereich Consumer Brands mit einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mrd. Euro im Mittelpunkt. Seit Anfang 2023 agiert Henkel in dieser neuen Aufstellung. Der neue Unternehmensbereich Consumer Brands besteht aus den folgenden drei Geschäftsfeldern:
- Laundry & Home Care mit Marken-Ikonen wie Persil, Perwoll und Pril
- Hair mit z.B. der Top-Marke Schwarzkopf
- Weitere Konsumentengeschäfte primär im Bereich Körperpflege z.B. mit der Marke Fa.
Mit dieser größten Transformation der letzten Jahrzehnte verfolgt Henkel nicht nur das Ziel, Effizienz und Tempo im Konzern zu erhöhen, indem z.B. der Overhead gesenkt und fürs Geschäft hinderliche Doppelfunktionen gestrichen werden; so sind in Vertrieb und Verwaltung bislang rund 2.000 Stellen weggefallen. Vor allem geht es um die Fokussierung des Portfolios auf die strategischen Kerngeschäfte und -marken mit attraktivem Wachstums- und Margenpotenzial, die zusätzlich mit intensiviertem Marketing-Einsatz gepusht werden sollen. Umsatz- und margenschwaches Subscaling-Geschäft in einem Gesamtvolumen von bis zu 1 Mrd. Euro wurde und wird deshalb auf den Prüfstand gestellt. Dies sollte auch für schwachmargiges Geschäft gelten, bei dem Henkel die kritische Größe fehlt (z.B. bei Haarpflege). Bis dato trennte sich Henkel von Geschäft und Marken, die einem Gesamtumsatz von rund 650 Mio. Euro entsprechen, darunter z.B. das Geschäft mit Lufterfrischern in Nordamerika oder der Verkauf des Mund- und Zahnpflegegeschäfts mit den Marken Theramed und Vademecum an Katjes Ende 2022. Gleichzeitig intensiviert Henkel zur Stärkung des Kerngeschäfts seine M&A-Aktivitäten, eine bemerkenswerte, aber auch überfällige Entwicklung, nachdem die Eigentümerfamilie größere Zukäufe in der Vergangenheit meist blockiert hatte. Daran zeigt sich im Übrigen der große Nachteil familiengeführter Firmen, denn durch deren Dominanz können unternehmerisch sinnvolle Maßnahmen wie z.B. mehr M&A oder auch eine offensivere Unternehmenskommunikation nicht durch „aufbegehrende“ Aktionärsgruppen wie z.B. aktivistische Investoren oder Private Equity-Gesellschaften erzwungen werden. Nach Jahren einer Blockadehaltung ist es bei der Henkel-Familie, die über einen Aktienbindungsvertrag 61,8% der Stimmrechte kontrolliert, aber zum Glück offenkundig zu einem Umdenken gekommen. So erwarb Henkel etwa neben der nachhaltigen Laundry & Home Care-Marke Earthwise aus Neuseeland das chinesische Konsumenten-Haarpflegegeschäft unter der Marke Vidal Sassoon mit einem Umsatz von über 200 Mio. Euro. Verstärkt wurde auch das Friseurgeschäft durch den Erwerb von Shiseido Professional in Asien/Pazifik mit rund 100 Mio. Euro Umsatz. Weitere Zukäufe von Wachstumsgeschäften dürften und sollten unseres Erachtens folgen. Dass das Management von Henkel beim Thema M&A sehr überlegt vorgeht, zeigt andererseits auch der Verzicht auf die Übernahme von Wella, die vor wenigen Jahren vom US-Parfüm- und Kosmetikunternehmen Coty ins Schaufenster gestellt wurde. Mit Wella hätte sich Henkel einen schwierigen Problemfall eingehandelt, denn seit Jahren schrumpft das Geschäft, nachdem die Produkte aus vielen Friseur-Vertriebskanälen ausgelistet wurden und das Friseurgeschäft im Wesentlichen von L’Oréal mit Elnett und Henkel mit Schwarzkopf dominiert wird. Es spricht daher für Henkel und CEO Carsten Knobel, Nein zur Übernahme von Wella gesagt zu haben.
Sehr erfreulich ist auch, dass Henkel bei der Integration der Geschäftsbereiche deutlich schneller als geplant vorankommt und von den bis Ende 2024 angestrebten Netto-Einsparungen von rund 250 Mio. Euro im Geschäftsjahr 2023 bereits über 200 Mio. Euro, also ca. 80%, realisieren konnte. In der laufenden Phase II des Konzernumbaus steht nun die Optimierung des Produktions- und Logistiknetzwerkes auf dem Programm, wie z.B. die Konsolidierung der Produktionsstätten für das europäische Haar- und Körperpflegegeschäft. Außerdem wird in Nord- und Lateinamerika die Logistik konsolidiert und das Insourcing der Lohnhersteller-Fertigung vorangetrieben. Das damit verbundene Einsparpotenzial sieht Henkel nun bei 250 Mio. Euro bis Ende 2026, nach zuvor 150 Mio. Euro.
Geschäftsjahr 2023: Rekord Free Cash Flow trotz Konzernumbau
Bis ein Konzernumbau seine Wirkung entfaltet, braucht es – neben einem motivierten und fähigen Management – vor allen Dingen eines: Zeit. Vielen Analysten mit ihrer notorischen Kurzfristorientierung fehlt jedoch meist die nötige Portion Geduld. Sie interessieren sich mehr für die kurzfristige Entwicklung von Quartal zu Quartal denn für die „langen Linien“. Das hat zur Folge, dass Unternehmen durch negative Kommentare schnell abgestraft und die Kursziele einkassiert werden, wenn sich Umsatz und Gewinn infolge eines Konzernumbaus oder größerer Investitionsvorhaben erst einmal eine Zeitlang schwächer entwickeln, bis die Maßnahmen greifen. Dass das Management von Henkel die richtigen Hebel in Bewegung setzt, ist (spätestens) an den Geschäftszahlen des Jahres 2023 deutlich zu erkennen. So stellte Henkel mitten im laufenden Konzernumbau mit 2,6 Mrd. Euro einen neuen Rekord beim Free Cash Flow auf. Damit landet die Free Cash Flow-Marge von 12,1% bereits jetzt wieder im Bereich der früheren Bestwerte und dies obwohl der heftige Gegenwind von der Währungsseite nicht nur Umsatz, sondern auch Gewinn gekostet hat.
Der Konzernumsatz von Henkel verbesserte sich im Geschäftsjahr 2023 mit einem organischen Wachstum von 4,2% auf 21,5 Mrd. Euro. Dazu trugen vor allem die deutlichen Preisanhebungen im hoch einstelligen Prozentbereich bei, denen ein rückläufiges Absatzvolumen gegenüberstand, das sich allerdings in der zweiten Jahreshälfte sequenziell immer weiter verbesserte. Negative Wechselkurseffekte schlugen mit -4,3% beim Umsatz zu Buche und vor allem der Verkauf des Russland-Geschäfts reduzierte den Umsatz um weitere 3,9%; auf berichteter Basis lag der Umsatz somit um 3,9% niedriger als im Vorjahr. Im neu formierten Unternehmensbereich Consumer Brands erreichte Henkel ein sehr starkes organisches Wachstum von 6,1% auf einen Umsatz von 10,6 Mrd. Euro, angetrieben vor allem von Laundry & Home Care und Hair. Der zweite, marginal größere Unternehmensbereich Adhesive Technologies (z.B. Loctite), bei dem Henkel Weltmarktführer ist, wuchs organisch um 3,2% auf 10,8 Mrd. Euro Umsatz. Dazu gehört im Wesentlichen das industrielle Klebstoffgeschäft, aber auch das Konsumentengeschäft im Bereich Klebstoffe mit Marken wie Pritt, Pattex oder Ponal. Vor allem beim Geschäft mit Kunden aus der Automobil- und Elektroindustrie spürt Henkel eine schöne Verbesserung. Angetrieben wurde der Konzernumsatz hauptsächlich durch die zweistelligen Preissteigerungen. Das Volumen war zwar rückläufig, was jedoch auch auf die oben beschriebenen Maßnahmen zur Portfolio-Optimierung bei Consumer Brands zurückzuführen ist. Zudem zeigte sich im zweiten Halbjahr eine deutliche sequenzielle Erholung des Geschäfts. Auch in der Klebstoffsparte hat sich Henkel weiter verstärkt, so z.B. mit der Übernahme von Critica Infrastructure, einem spezialisierten Anbieter von Faserverbund-Lösungen für die Instandhaltung bei industriellen Anwendungen (Umsatz 2023: 93 Mio. Euro), und Seal for Life, einem spezialisierten Anbieter von Schutzbeschichtungen und Dichtungslösungen für Infrastrukturmärkte wie erneuerbare Energien, Öl und Gas sowie Wasser.
Die Profitabilität verbessert sich signifikant. So zog die Rohmarge um über 300 Basispunkte auf 44,9% an, wofür neben dem nachlassenden Inputkostendruck auch die hohe Preissetzungsmacht sowie der verbesserte Mix bei Consumer Brands sorgten. So verzeichnete Henkel dank der Top-Marken Persil und Perwoll, aber auch der in Nordamerika vertriebenen Marke all, zweistellige Zuwächse bei Spezialwaschmittel und ein starkes Wachstum bei Universalwaschmittel. Geschirrspülmittel von Pril entwickelten sich ebenfalls sehr gut. Daneben verzeichnete auch Hair ein sehr starkes organisches Wachstum mit +8,9%, das vor allem durch die Kategorien Haarkoloration und -styling mit den Kernmarken got2b (Relaunch in 2023 mit modernisiertem Design, natürlichen Inhaltsstoffen und veganen Formeln) und Taft getrieben war.
Das Wachstum seiner Kernmarken will Henkel mit Produktinnovationen und einer intensiven Marketing-Unterstützung weiter anschieben. 26% vom Umsatz wurden letztes Jahr in Marketingaktivitäten gesteckt. Auch hier setzt Henkel auf die richtige Strategie. So entfielen 2023 rund 50% des Umsatzes von Consumer Brands auf die zehn Top-Marken des Portfolios und der Umsatzanteil von Produkten, die in den letzten drei Jahren neu eingeführt wurden, beläuft sich auf etwa 55%. Das intensive Marketing zahlt sich also aus und trotzdem verdient Henkel gutes Geld und macht beachtliche Fortschritte bei der Profitabilität. Durch die Fokussierung auf die wachstums- und margenstarken Kernmarken sollten sich auch der Produktmix und damit die Margen weiter verbessern. Mit 11,9% verzeichnet Henkel zwar einen deutlichen Anstieg der (bereinigten) operativen Marge um 150 Basispunkte gegenüber dem Vorjahr, trotz stark negativer Wechselkurseffekte. Dennoch besteht bei der Marge weiteres Potenzial. Im eingeschwungenen Zustand nach Abschluss des Konzernumbaus sollte Henkel bei der operativen Marge wieder an das Vor-Corona-Niveau anknüpfen können. Mittel- bis langfristig strebt das Unternehmen eine (bereinigte) operative (EBIT-)Marge von rund 16% auf Konzernebene an (bei Adhesive Technologies im hohen Zehn-Prozent-Bereich, bei Consumer Brands im mittleren Zehn-Prozent-Bereich). Dazu soll auch die zunehmende Digitalisierung des Unternehmens beitragen (Digital-Einheit „Henkel dx“). Hier arbeitet Henkel u.a. mit unseren Portfoliounternehmen Microsoft und Adobe zusammen, um digitale Innovationen zu beschleunigen und die Effizienz entlang der Wertschöpfungskette von der Forschung über die Produktion bis hin zum Marketing und Vertrieb zu erhöhen.
Beim Free Cash Flow verzeichnet Henkel schon heute, also noch mitten in der Umbauphase, auch aufgrund des deutlich reduzierten Net Working Capitals mit 2,6 Mrd. Euro einen neuen Rekord (= Free Cash Flow-Marge von 12,1%). Dabei wären der Free Cash Flow und die Free Cash Flow-Marge ohne den massiven Gegenwind durch negative Währungseffekte von -4,3% vom Umsatz sogar noch deutlich höher ausgefallen.
Makellose Bilanz und sehr günstige Unternehmensbewertung
Trotz der Belastungen durch die Restrukturierung und den starken Währungsgegenwind ist die Bilanzqualität von Henkel hochsolide mit einem Eigenkapital von 20 Mrd. Euro bzw. einer Eigenkapitalquote von 63% im Geschäftsjahr 2023. Die Nettofinanzposition inklusive Net Working Capital und Pensionsverpflichtungen beträgt rund 0,9 Mrd. Euro (ca. 0,3 x Free Cash Flow 2023), wobei darin auch der Marktwert der gehaltenen eigenen Aktien in Höhe von 1,5 Mrd. Euro berücksichtigt ist. Denn erfreulicherweise hatte Henkel die tiefe Bewertung und den niedrigen Aktienkurs antizyklisch genutzt, um zwischen Februar 2022 und März 2023 für insgesamt 1 Mrd. Euro eigene Aktien zum durchschnittlichen Kaufpreis von 63,28 Euro für die Vorzüge und 60,77 Euro für die Stämme über die Börse zurückzukaufen. Aktuell hält Henkel somit 3,3 Mio. Stammaktien (0,75% vom Grundkapital) und 15,3 Mio. Vorzugsaktien (3,5% vom Grundkapital) mit einem Marktwert von zusammen ca. 1,5 Mrd. Euro.
Die Kapitalverzinsung (RoCe = Return on Capital employed, ohne eigene Aktien) liegt bei sehr ordentlichen 12,6% (bezogen auf den Free Cash Flow 2023). Mit einem Enterprise Value vom rund 13-Fachen des Free Cash Flows des letzten Geschäftsjahres ist Henkel zudem wirklich billigst bewertet, obwohl die Firma durch den Konzernumbau, die fortgesetzten Effizienzmaßnahmen und die hohe Innovationskraft (6% der Belegschaft arbeiten im Bereich Forschung & Entwicklung) deutlich an operativer Schlagkraft hinzugewonnen hat. Den fairen Wert der Henkel Vorzüge gemäß Discounted Cash Flow-Methode sehen wir zwischen 110 und 120 Euro je Aktie. Das erhebliche Unternehmenswertsteigerungspotenzial werden auch die Analysten in ihren Modellen nicht länger ignorieren können.
Quelle: Geschäftsberichte, Wagner & Florack
Ins laufende Geschäftsjahr ist Henkel mit gutem Schwung gestartet. In Q1 2024 konnte der Umsatz organisch um 3% gesteigert werden. Während bei Adhesive Technologies ein Plus von 1,3% zu Buche steht, kommt das Consumer-Geschäft sogar um 5,2% voran, wobei vor allem das Haar-Geschäft auf hohen Touren läuft. Nach dem starken Start ins Geschäftsjahr 2024 und einer erneuten sequenziellen Verbesserung des Absatzvolumens gegenüber Q4 2023 hob Henkel die Anfang März abgegebene Umsatz- und Ergebnisprognose für 2024 bereits wenige Wochen später (am 03.05.2024) deutlich an. Für 2024 erwartet das Management nun ein organisches Umsatzwachstum zwischen 2,5 und 4,5% nach zuvor 2 bis 4%. Während die Guidance für die Klebstoffsparte unverändert bleibt, wird für Consumer Brands ein organisches Wachstum zwischen 3 und 5% erwartet (vorher 2 bis 4%). Bei der (bereinigten) operativen Marge rechnet Henkel nun mit 13 bis 14% nach zuvor 12 bis 13,5%. Nachdem bereits seit einiger Zeit zu erkennen war, dass das Management die Weichen mit dem Konzernumbau richtig stellt, ist nun endlich auch bei der Aktie von Henkel der Performance-Knoten geplatzt. Wir sind daher sehr zuversichtlich, dass die Analystenzunft über den erfolgreichen Konzernumbau nicht länger hinwegsieht und das Vertrauen der Investoren sukzessive wieder zurückkehrt. Für uns ist Henkel jedenfalls eine „robuste Gewinnmaschine“, die ihren Platz im Unternehmerfonds und im Unternehmerfonds flex zu Recht einnimmt. Mittel- bis langfristig sollte der steigende Unternehmensgewinn auch dem Aktienkurs wieder mehr Rückenwind verleihen.
In diesem Sinne, mit herzlichen Grüßen
Dominikus Wagner | Dr. Dirk Schmitt |
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Bild 1, Apple One on the screen iPhone, Primakov/Shutterstock.com
Bild 2, Creative visual of business people in corporate staff meeting, Summit Art Creations/Shutterstock.com
Bild 3, Perwoll-Flaschen, © 2024 Henkel AG & Co. KGaA. Alle Rechte vorbehalten.
Bild 4, verschiedene Henkel Produkte, © 2024 Henkel AG & Co. KGaA. Alle Rechte vorbehalten.
Bild 5, Syoss Volume Lift Schaumfestiger, © 2024 Henkel AG & Co. KGaA. Alle Rechte vorbehalten.
Bild 6, 7, 8 verschiedene Henkel Produkte, © 2024 Henkel AG & Co. KGaA. Alle Rechte vorbehalten.
Glossar:
CCR = Cash Conversion Rate
EK = Eigenkapital
EV = Enterprise Value
FCF = Free Cash Flow. Das Nachsteuerergebnis ist nicht der Unternehmensgewinn, sondern der freie Barmittelzufluss (Free Cash Flow), da nur der Free Cash Flow Abschreibungen, Betriebskapital (working capital) und Investitionen berücksichtigt. Der wirkliche Unternehmensgewinn, der Free Cash Flow, ist für uns eine maßgebliche Bezugsgröße für die Unternehmensbewertung.
FY = Financial Year
FYe = expected Financial Year
nwc = Net working capital
oW = organisches Umsatzwachstum
Q1, Q2 usw. = Quartal 1, Quartal 2 usw.
RoCe = Return on Capital employed. Wir legen großen Wert auf eine valide und konservative Struktur der eingesetzten Kennzahlen und berechnen das RoCe daher als Free Cash Flow im Verhältnis zum Eigenkapital plus Nettofinanzschulden bzw. abzgl. Nettofinanzposition plus relevante, langfristige Rückstellungen wie Pensions- und Leasingverpflichtungen.
Stand der Daten: 30.04.2024