Meinungsvolatilität, US-Shutdown und riskantes Markt-Timing

25. Mai 2023
Meinungsvolatilität, US-Shutdown und riskantes Markt-Timing

Volatilität ist nicht nur ein typisches Phänomen von Börsenkursen. Auch die Einschätzungen diverser Finanzanalysten und Wirtschaftsjournalisten zu einzelnen Unternehmen können mehr oder weniger starken Schwankungen unterliegen. Dass sich die Meinungen von „Kapitalmarktexperten“ binnen kurzer Zeit ändern können, ohne dass sich an den Rahmenbedingungen nachhaltig und belastbar etwas geändert hat, veranschaulicht das Beispiel von Google. Es ist nur wenige Wochen her, da stimmten etliche Experten nach der medienwirksamen Lancierung von ChatGPT nahezu einhellig in den Abgesang auf Google ein. Die Zahl derer, die davor warnten, in einen undifferenzierten ChatGPT-Hype zu verfallen und Google vorschnell abzuschreiben, war dagegen recht überschaubar. Zu dieser Minderheit zählten auch wir. In unserem Investorenbrief vom 22. März 2023 hatten wir angemahnt, die finanziellen, personellen und technologischen Ressourcen von Google, DEN Vorreiter in Sachen Artificial Intelligence (AI), tunlichst nicht zu unterschätzen. Unseres Erachtens würde der „Angriff“ von ChatGPT vor allem eines bewirken: Google dazu zu zwingen, seine vorhandenen PS in puncto AI auch auf die Straße zu bringen. Das nahende Ende von Google heraufzubeschwören, hielten wir deshalb für absolut unangebracht. „Deswegen macht es aus unserer Sicht auch wenig Sinn, jetzt mit gewagten Annahmen an den Unternehmensbewertungen der Firmen herumzuschrauben.“, so unser damaliges Fazit.

Ohne Google geht (fast) nichts

Jetzt zeigt sich: Wer meinte, das Ende von Google Search sei nahe, hat sich verkalkuliert. Auf seiner jüngst abgehaltenen Entwicklerkonferenz Google I/O schlug der von vielen „Börsenprofis“ angezählte AI-Riese – aus unserer Sicht nicht unerwartet – zurück und kündigte eine regelrechte Kanonade an neuen AI-Produkten für seine Plattformen an, angefangen von Search bis hin zu Maps. Die neuen, höherwertigen Angebote steigern nicht nur den Nutzen, die Produktivität und das Erlebnis der Kunden, sondern auch die Profitabilität von Google. Dabei legt Google jedoch sehr großen Wert darauf, seine generative AI auch mit Blick auf mögliche gesellschaftliche Implikationen verantwortungsvoll weiterzuentwickeln.

Die nach der Entwicklerkonferenz veröffentlichten Analystenkommentare überschlugen sich mit Superlativen und Google wurde plötzlich wieder als „die AI-Macht“ gefeiert. Wie unverzichtbar das Unternehmen inzwischen tatsächlich geworden ist, zeigte sich erst dieser Tage wieder, als SAP ankündigte, seine bestehende Kooperation mit Google Cloud weiter auszubauen. Es will schon etwas heißen, wenn selbst eine Software-Größe wie SAP auf die Dienste von Google zurückgreift.

Die ausgerufene „Beinahe-Pleite“ von Google muss jedenfalls wieder abgesagt werden. Nur wenige Monate, nachdem im Zuge der Partnerschaft zwischen Microsoft und OpenAI (ChatGPT) das nahende Ende von Google geweissagt wurde, avanciert Google allmählich wieder zum Liebling vieler Börsenexperten, die sich nun darin überbieten, immer höhere Kursziele auszurufen. Was für eine Volatilität der Meinungen! Seit Jahresbeginn ist der Aktienkurs der Google-Mutter Alphabet indessen um rund 40% gestiegen. Ein großer Teil des letztjährigen Kursrückgangs wurde damit wieder wettgemacht. Davon profitieren auch der Unternehmerfonds und der Unternehmerfonds flex, denn in beiden zählt Alphabet zu den größten Positionen. Wir wollen uns an dieser Stelle nun aber nicht selbst beweihräuchern und behaupten, wir hätten den sehr starken Kursanstieg von Alphabet binnen so kurzer Zeit kommen sehen. Allerdings waren und sind wir sehr wohl der Meinung, dass der Markt die hohe Ertragskraft und Robustheit des Geschäftsmodells von Alphabet stark unterschätzt und das Unternehmen langfristig weitaus mehr wert ist. Außerdem verdeutlicht der Fall, wie riskant es sein kann, seine Unternehmensbeteiligungen aufgrund der gerade vorherrschenden Börsenstimmung in Frage zu stellen oder gar (zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt) die Reißleine zu ziehen, wenn der Aktienkurs einmal eine Zeitlang gegen einen läuft. Erfolgreiches Investieren setzt vielmehr einen klaren Investmentkompass voraus.

Bei Wagner & Florack sind wir davon überzeugt, dass es der klügste und langfristig auch sicherste Weg zur Wahrung und Mehrung des Vermögens ist, sich langfristig aus unternehmerischer Sicht mit Geduld, aktiver und kritischer Kontrolle sowie Disziplin an herausragenden Qualitätsunternehmen zu beteiligen (und dafür nicht zu viel zu bezahlen).

In den Unternehmerfonds investieren wir deshalb als langfristige Miteigentümer in qualitativ herausragende Geschäftsmodelle von Unternehmen, deren Gewinntrend nachhaltig intakt ist und auf deren Resilienz wir uns auch in Krisenzeiten zu 100% verlassen können. Alles andere ist aus unserer Sicht reines Markt-Timing, das auf Dauer erwiesenermaßen nicht zum Erfolg führt. Ungeachtet dieser klaren empirischen „Beweislage“ ist es jedoch nicht zuletzt auch eine Frage der Disziplin, der Versuchung des Markt-Timings zu widerstehen. Wie wichtig Disziplin beim Investieren ist, verdeutlicht das Eingeständnis des aktivistischen Investors Carl Icahn. Vor dem Hintergrund seiner Milliardenverluste im Zusammenhang mit Absicherungsgeschäften räumte er in einem Interview mit der Financial Times vor kurzem ein:

„I’ve always told people there is nobody who can really pick the market on a short-term or an intermediate-term basis. Maybe I made the mistake of not adhering to my own advice in recent years.“ (Carl Icahn, in: Fiancial Times vom 18. Mai 2023).

Der Fall lehrt zwei wichtige Lektionen:

  1. Die Bedeutung von Demut beim Investieren. Das Beispiel von Carl Icahn zeigt, wie wichtig es beim Investieren ist, stets demütig zu bleiben und sich – ungeachtet seiner Erfahrungen und Erfolge – nicht anzumaßen, es besser zu wissen und den Markt timen zu können. Denn eines ist so gut wie sicher: Früher oder später wird einen der Markt Demut lehren.
  2. Das Festhalten an den eigenen Investmentprinzipien. Die Treue zu unseren Investmentprinzipien in Verbindung mit der kritischen, unternehmerischen Kontrolle der Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle unserer Portfoliofirmen (siehe das Beispiel Google) ist ein wesentlicher Grund für die erfreuliche, langfristige Wertsteigerung der Unternehmerfonds sowie die positive Entwicklung in diesem Jahr mit einem Plus von 14,66% beim Unternehmerfonds (I-Klasse) und 11,35% beim Unternehmerfonds flex (C-Klasse, Stand jeweils: 23.05.2023).

Fazit: Mit Markt-Timing oder Spekulieren wird man langfristig nicht erfolgreich sein; mit unternehmerischem, langfristigem Investieren hingegen schon.

Operativ weiter auf Kurs

Eine gewisse Kurzatmigkeit der Börsianer ist auch in Bezug auf unser Portfoliounternehmen Danaher zu konstatieren. Nach Ansicht mancher Finanzanalysten laufen Danahers Geschäfte derzeit wenig prickelnd, was der zuletzt rückläufige Aktienkurs zu bestätigen scheint. Ähnlich wie im Fall Google wird unseres Erachtens jedoch das langfristige Potenzial Danahers unterschätzt und die Absatznormalisierung nach dem Auslaufen der Corona-Sonderkonjunktur als strukturelle Wachstumsschwäche fehlinterpretiert.

Hierzulande ist der US-Konzern eher weniger bekannt, wenngleich verschiedene Tochtergesellschaften ihren Ursprung und Sitz in Europa haben, wie z.B. Leica Microsystems, der deutsche Hersteller von Mikroskopen und wissenschaftlichen Instrumenten, der seit 2005 zum Portfolio von Danaher gehört. Danaher ist ein äußerst veränderungswilliges und aufgrund seines Asset-light-Charakters auch veränderungsfähiges Unternehmen, das wachstumsschwache Geschäfte konsequent auf den Prüfstand stellt und ggf. verkauft, während durch regelmäßige Übernahmen neue Wachstumsgeschäfte akquiriert werden. Zur Beschleunigung des organischen Wachstums betreibt Danaher darüber hinaus einen hohen Aufwand für Forschung und Entwicklung. Zudem werden mit dem Kaizen-getriebenen „Danaher Business System“ permanent Wachstums- und Effizienzpotentiale ausgelotet und gehoben. Mit hervorragenden Produkten in seinen Geschäftsbereichen bedient Danaher mehrere säkulare Wachstumstrends:

  • Biotechnology (Cytiva und Pall; die beiden bislang eigenständigen Marken werden zukünftig unter dem Dach von Cytiva zusammengefasst.)
  • Life Sciences (Produkte für die medizinische und pharmazeutische Forschung und Entwicklung auf zellularer Ebene, z.B. Beckman Coulter, Pall Industrial)
  • Diagnostik (z. B. Soft- und Hardware für Molekulardiagnose, z.B. Cepheid)
  • Environmental & Applied Solutions (u. a. Wassergeschäft von der Aufbereitung von Trinkwasser bis hin zur Behandlung von Schmutzwasser/Qualitätsprüfung und Produkt-Tracking, z.B. HACH, Videojet). Der Geschäftsbereich soll im vierten Quartal 2023 unter dem Namen Veralto an die Börse gebracht werden.

Organisch ging der Umsatz von Danaher im ersten Quartal 2023 tatsächlich um 4% zurück auf 7,7 Mrd. Dollar. Rechnet man jedoch das Corona-Geschäft heraus, legte der Umsatz organisch um 6% zu, wobei beide Datenpunkte sowohl über der Konsensschätzung der Analysten als auch über der unternehmenseigenen Guidance liegen. Wie erwartet, läuft das Corona-Sondergeschäft nach und nach aus (Produktionsanlagen für Impfstoffe von Cytiva/Pall, Analysegeräte von Beckman Coulter, Test-Kits von Cepheid), während die Kerngeschäftsfelder unverändert ordentlich zulegen. Gleichwohl dürfte Danaher nach dem hohen Wachstumstempo bei Cytiva und Pall seit 2018 derzeit und wohl auch im Gesamtjahr etwas langsamer wachsen, so dass sich das Absatztempo von Produktionsanlagen für Medikamente/Impfstoffe nun wieder auf ein normales langfristiges Niveau einpendeln dürfte, nachdem in den letzten Jahren enorm viele Produktionsanlagen für Medikamente/Impfstoffe (auch abseits von Corona) verkauft wurden. Aufgrund dieser Absatznormalisierung bei Cytiva und Pall, den beiden Wachstumstreibern der letzten Jahre, senkte Danaher den Ausblick für das Geschäftsjahr. Beim organischen Umsatzwachstum des Geschäfts ohne Corona wird nun mit einem Anstieg im mittleren statt zuvor hohen einstelligen Prozentbereich gerechnet. Doch unabhängig von dieser Prognoseanpassung zeigt sich beim Vergleich von Danahers Q1-Zahlen mit denen von Wettbewerbern, dass Danaher in einer eigenen Liga spielt.

Zu den Geschäftsbereichen im Einzelnen: Im Bereich Life Science (also erstens Analysegeräte und -software für die Pharmaforschung von Beckman, Sciex, Leica, IDT, Molecular Devices und Phenomenex sowie zweitens die Auftragsherstellung von Antikörpern, Proteinen und Plasmid-DNA durch die Tochtergesellschaft Aldevron) legte Danaher mit einem organischen Wachstum von 5% auf 1,71 Mrd. Dollar zu. Der Umsatz der Diagnostiksparte (also Analysegeräte und Testinstrumente für Labore von Cepheid, Beckman, Leica und Radiometer) schrumpfte dagegen um 7,5% auf 2,38 Mrd. Dollar, hauptsächlich wegen Cepheid, die jetzt kaum noch Corona-Tests verkaufen. Der Bereich Biotechnologie mit Cytiva und Pall mit ihren Produktionsanlagen für Medikamente und Impfstoffe verzeichnete einen organischen Umsatzrückgang um 13% auf 1,86 Mrd. Dollar. Dagegen konnte das Geschäft mit Wasserfiltration & Verpackungskennzeichnung, dessen Abspaltung wie geplant durchgeführt wird, mit +6,5% organischem Wachstum auf 1,22 Mrd. Dollar zulegen.

Bei der Profitabilität überzeugte Danaher mit einer sowohl historisch als auch im Peer Group-Vergleich sehr starken operativen Marge von 25% und dies trotz der Belastungsfaktoren durch den starken US-Dollar sowie die niedrigeren Volumenskaleneffekte. Auch die Free Cash Flow-Marge erreicht mit 23,3% ein hervorragendes Niveau (es gibt kaum noch net working capital-bedingte Verzerrungen), insbesondere wenn man bedenkt, dass sich der hochprofitable Cytiva-Absatz normalisiert und nach wie vor höhere Vorproduktkosten und der Gegenwind durch ungünstige Wechselkursentwicklungen zu kompensieren sind. Das Schöne bei Danaher aber ist vor allem, dass es dem Unternehmen dank des insgesamt kapitalleichten Geschäftsmodells gelingt, seine Gewinne auch in klingende Münze umzuwandeln. Mit anderen Worten: Die Gewinne kommen auch (als Free Cash Flow) in der Kasse an, was sich an der trotz ansehnlichem Capex starken Cash Conversion Ratio von 117% ablesen lässt. Die Kapitalverzinsung (RoCe = Return on Capital employed) beträgt solide 12,5% (Geschäftsjahr 2023 erwartet). Die Nettoverschuldung sinkt trotz der großen Zukäufe von Cytiva und Aldevron recht schnell auf das 1,6-fache des für 2024 erwarteten Free Cash Flow; die Eigenkapitalquote steigt entsprechend stetig an und liegt jetzt bei 60,5%. Unseres Erachtens lässt dies weitere M&A-Aktivitäten erwarten. Den Fair Value von Danaher sehen wir auf Basis unseres Discounted Cash Flow-Modells deutlich über 300 Dollar je Aktie und damit weit über dem aktuellen Börsenkurs. Diese Diskrepanz deutet darauf hin, dass die völlig natürliche Post-Corona-Normalisierung des Geschäfts aktuell nicht richtig verstanden wird. Für uns ist die signifikante Unterbewertung des Unternehmens deshalb eine willkommene Gelegenheit, nach den jüngsten Quartalszahlen weiter zuzukaufen, denn unseres Erachtens ist und bleibt Danaher ein äußerst profitables und mit dem Kaizen-beeinflussten Danaher Business System auch ein sehr effizientes Unternehmen, an dem wir langfristig beteiligt bleiben wollen.

Preismacht in Perfektion

Der Umsatz von Nestlé im ersten Quartal 2023 (Q1 2023) entwickelte sich grundsolide mit einem organischen Wachstum von beachtlichen 9,3% auf 23,5 Mrd. CHF. Ohne den im Berichtszeitraum starken Schweizer Franken, wäre das Wachstum sogar um weitere vier Prozentpunkte höher ausgefallen. Das organische Wachstum ist breit abgestützt über alle Produktkategorien und Absatzregionen hinweg. Treiber sind erstens das Tiernahrungsgeschäft mit Purina, vor allem die Premiumprodukte Purina One und Purina Pro Plan, außerdem Friskies. Zweitens das Kaffee-Geschäft, insbesondere Starbucks-Retail, auch Nescafé, während Nespresso ein etwas schwächeres Wachstum zeigte aufgrund der sehr hohen Vergleichsbasis des Vorjahres.

Regionale Absatztreiber sind Nord- und Südamerika sowie Südostasien, etwas softer entwickelte sich dagegen China, wo nach dem Ende der Lockdowns erst einmal die vollen Lager bei den Retailern geleert wurden, was jedoch im laufenden zweiten Quartal für einen entsprechenden Absatzschub sorgen sollte, wenn die Retailer ihre Lager wieder auf Normalniveau auffüllen. Besonders dynamisch entwickelt sich weltweit das Wachstum bei den Online-Vertriebskanälen sowie im Firmenliefergeschäft, was auf Nachholeffekte zurückzuführen ist, weil die Mitarbeiter wieder in die Büros zurückkehren. Ein niedriges organisches Umsatzwachstum verzeichnete diesmal der Bereich Health Science, wobei das gute Wachstum bei medizinischer Ernährung (vor allem Vital Proteins mit Produkten für Senioren sowie pädiatrische Produkte und Allergieprodukte wie Althéra, Alfaré und Alfamino) vom niedrigeren Umsatz mit Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln kompensiert wurde, deren Umsatz sich nach dem rasanten Wachstum während der Corona-Zeit nun normalisiert.

Das organische Wachstum auf Konzernebene ist erneut ausschließlich preisgetrieben mit +9,8% bei den Preisen und einem Absatz-Mix-Effekt (der bei Nestlè als RIG = Real Internal Growth bezeichnet wird) von -0,5%. Auf der Suche nach einem Haar in der Suppe wurde in den ersten Analystenkommentaren deshalb – wieder einmal – geunkt, Nestlé habe die Preisschraube überdreht und die Konsumnachfrage lasse infolgedessen nach, wenngleich CEO Schneider mit Nachdruck betonte, dass dies nichts mit signifikanten Down-Trading-Effekten, einer höheren Nachfrageelastizität oder nachlassender Preissetzungsmacht zu tun habe. Vielmehr funktionieren die Lieferketten immer noch nicht wieder ganz reibungslos, weshalb z.B. das Wassergeschäft geschrumpft ist, weil bei Perrier Vorprodukte fehlten (dagegen S. Pellegrino/Aqua Panna ohne Engpässe und mit gutem Absatz). Der Haupteffekt beim negativen RIG dürfte jedoch darin liegen, dass Nestlé letztes Jahr das volumenstarke europäische Eisgeschäft in ein Joint Venture mit der Private-Equity-Firma PAI ausgelagert hatte und diese Volumina nun aus dem RIG herausfallen, weil das Joint Venture nicht in der Bilanz konsolidiert wird.

Das Portfoliomanagement wird auch in diesem Jahr konsequent fortgesetzt. So trennt sich Nestlé vom wachstumsschwachen europäischen Volumengeschäft mit Tiefkühlpizza (Wagner, Buitoni etc.), das in ein weiteres Joint Venture mit PAI eingebracht werden soll. Über kurz oder lang dürfte Nestlé die Anteile an den beiden Joint Ventures komplett verkaufen. Ähnlich geht man auch bei der Wurstmarke Herta vor, wo zunächst 60% veräußert wurden und die Restbeteiligung in der Zukunft vom neuen Mehrheitsgesellschafter übernommen werden dürfte.

Den Ausblick für das Gesamtjahr bestätigte Nestlé. Beim Umsatz wird ein organisches Wachstum von 6% bis 8% und in puncto Profitabilität eine operative Marge von 17% bis 17,5% in Aussicht gestellt. Wie von Nestlé gewohnt, wächst das Geschäft somit zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk weiter und profitiert davon, dass nach und nach die Früchte des konsequenten Portfolioumbaus geerntet werden können.

Fazit: Für uns sind Nestlé und Danaher Paradebeispiele für herausragende Qualitätsunternehmen, an denen wir noch möglichst lange als Miteigentümer beteiligt bleiben wollen, jedoch nicht ohne die Geschäftsmodelle fortlaufend einer kritischen Kontrolle aus unternehmerischer Sicht zu unterziehen.

Sind unsere Investmentthesen und der säkulare Gewinntrend der Firmen intakt, bleiben wir unseren Portfoliounternehmen auch in Schwächephasen diszipliniert treu und verstehen rückläufige Aktienkurse wie aktuell z.B. bei Danaher als willkommene Gelegenheit, unsere Beteiligung zu günstigeren Konditionen zu erhöhen. Langfristig zahlt es sich jedenfalls aus, seinen robusten Gewinnmaschinen treu zu bleiben. Das gilt auch für eine Phase wie die aktuelle, in der die seit Dekaden zuverlässig wiederkehrende Diskussion um eine Erhöhung der Schuldenobergrenze der USA aufflammt, die Börsenpresse nur wenige andere Themen kennt und die Aktienkurse nervös zucken. Dabei einigen sich die beiden politischen Lager zumeist nach einer sorgfältig inszenierten Eskalation des Schuldenstreits kurz vor Toresschluss; mal kommt es allerdings auch zu einem „Government Shutdown“, durch den Bundesbeamte nicht ihrer Arbeit nachgehen und Staatsausgaben gestoppt werden. Diese „Stilllegungen“ dauern in der Regel aber nur einige Tage bis wenige Wochen. Zu einem Staatsbankrott der USA wird es nicht kommen, zumal US-Präsident Biden das „14th Amendment“ auf seiner Seite sehen kann, einen Verfassungszusatz, der ihm erlaubt, das Schuldenlimit notfalls auch ohne den Kongress zu erhöhen, um den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Doch egal, wie das Drehbuch um die Erhöhung der Schuldenobergrenze diesmal auch ablaufen mag. Das Entscheidende für uns als Langfristinvestoren ist doch, dass Nestlé deshalb keinen einzigen Riegel KitKat und keine einzige Kapsel Nespresso weniger verkaufen wird. Das Gleiche gilt z. B. für Procter & Gamble. Kein Mensch wird wegen eines möglichen Shutdowns in den USA auf die Idee kommen, seine Zähne vielleicht nur noch einmal am Tag mit blend-a-med zu putzen oder seine Kleinkinder nun seltener mit Pampers zu wickeln.

Unsere Botschaft lautet deshalb: Beim Investieren sollte man sich nicht durch die Börsenpresse nervös machen lassen und sich nicht im „Timing“ üben, sondern lieber in Geduld und Disziplin, echte Qualität im Portfolio vorausgesetzt.

In diesem Sinne, mit herzlichen Grüßen,  

Dominikus Wagner und Dr. Dirk Schmitt

 

—————————————————————————————————————————————————————————————-

Glossar:

CCR = Cash Conversion Rate

EK = Eigenkapital

EV = Enterprise Value

1FCF = Free Cash Flow. Das Nachsteuerergebnis ist nicht der Unternehmensgewinn, sondern der freie Barmittelzufluss (Free Cash Flow), da nur der Free Cash Flow Abschreibungen, Betriebskapital (working capital) und Investitionen berücksichtigt. Der wirkliche Unternehmensgewinn, der Free Cash Flow, ist für uns eine maßgebliche Bezugsgröße für die Unternehmensbewertung. 

FY = Financial Year

FYe = expected Financial Year

2nwc = Net working capital. Warum wir uns den um die net-working-capital-Veränderungen bereinigten Free Cash Flow anschauen: Der Lagerwert ist bei allen Herstellern physischer Güter wegen der Lieferkettenprobleme deutlich erhöht. Denn die Hersteller physischer Güter legen sich wegen der gestörten Lieferkette derzeit sämtliche Vorprodukte ins Lager, derer sie habhaft werden können.  Das derzeit hohe im Lager gebundene Cash wird nach dem Bilanzstichtag mit dem Abverkauf der Produkte „befreit“ und sozusagen verspätet als echtes Cash im Cash Flow-Statement gezeigt. Somit ist der net-working-capital-bereinigte Free Cash Flow die validere Kennzahl zur Bewertung der Profitabilität einer Firma unter der Bedingung selbstverständlich, dass die jeweilige Firma nicht auf dem Lager „sitzen bleibt“ oder Lagerabwertungen vornehmen muss.

oW = organisches Umsatzwachstum

Q1, Q2 usw. = Quartal 1, Quartal 2 usw.

3RoCe = Return on Capital employed. Wir legen großen Wert auf eine valide und konservative Struktur der eingesetzten Kennzahlen und berechnen das RoCe daher als Free Cash Flow im Verhältnis zum Eigenkapital plus Nettofinanzschulden bzw. abzgl. Nettofinanzposition plus relevante, langfristige Rückstellungen wie Pensions- und Leasingverpflichtungen.

Stand der Daten: 24.05.2023