Keine Schönfärberei bei Nestlé –
sondern ein analytischer Blick

21. Januar 2025
Keine Schönfärberei bei Nestlé –<br><b>sondern ein analytischer Blick</b>

Mit unseren bewusst auf Stabilität ausgelegten Consumer Staples-Beteiligungen, die dank ihres minimalen Geschäftsrisikos und stabiler Profitabilität ein solider Baustein im Fundament unserer Unternehmerfonds sind, konnten wir – selbst wenn Consumer Staples während der vergangenen beiden starken Börsenjahre die Marktentwicklung nicht in vollem Umfang „mitnahmen“  – 2024 beeindruckende Ergebnisse erzielen: Die Aktien unserer US-Konsumgüterunternehmen Procter & Gamble (Performance 2024: 17 %, in USD), Church & Dwight (+ 12 %) sowie Colgate-Palmolive (+17 %) verzeichneten sehr erfreuliche Wertzuwächse.

Ebenso waren und sind wir von Nestlé und seinem Geschäftsmodell überzeugt und schätzen die starke Position in wichtigen und besonders margenstarken Wachstumskategorien, allen voran bei Kaffee, Tiernahrung, aber auch gesunde Ernährung bzw. Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine. Als unternehmerisch denkende Investoren beschönigen wir aber nicht, sondern analysieren auch die offenen Baustellen, die das Potenzial von Nestlé derzeit bremsen. In unserem Investorenbrief vom 28. März 2024 haben wir uns bereits vor dem Managementwechsel im Sommer ausführlich und kritisch zugleich mit Nestlé beschäftigt. Nach dem Vorstandswechsel hat der neue Nestlé-CEO Laurent Freixe auf dem Kapitalmarkttag im November nun seine Strategie vorgestellt, mit der er das Unternehmen wieder auf einen höheren Wachstumspfad heben will, indem der Absatz gesteigert und der Produktmix verbessert werden.

Viele Consumer Staples befinden sich in einer Übergangsphase

Seit einigen Quartalen befindet sich Nestlé – ebenso wie alle anderen Consumer Staples-Firmen – jedoch in einer Übergangsphase, nachdem die Umsätze während der Corona-Sonderkonjunktur und der anschließenden heftigen Lockdown-bedingten Inputkosteninflation in etwa doppelt so schnell wuchsen, wie es eigentlich dem geschäftsmodellüblichen Trend entspricht.

In dieser Zeit waren es fast ausschließlich entsprechend starke, aber wegen der Inputkosteninflation auch notwendige Preiserhöhungen, die das Wachstum maßgeblich bestimmten, während Absatz und Produktmix unter Druck standen und mitunter sogar rückläufig waren. Nach dem Abklingen und Wegfall dieser Sonderfaktoren ist es unseres Erachtens daher das Normalste auf der Welt, wenn sich das stark preisgetriebene Umsatzwachstum nun erst einmal wieder normalisiert und auf seinen langfristig üblichen Wachstumspfad zurückkehrt.

Umsatzwachstum normalisiert sich

Ein verlangsamtes Umsatzwachstum im Jahr 2024 bei den Consumer Staples ist daher nicht mehr und nicht weniger als die logische Folge dieses Anpassungsprozesses. Einige an der Börse scheinen diese normale Verlangsamung nun bis in alle Ewigkeit zu extrapolieren, übersehen dabei jedoch, dass es viele wettbewerbsüberlegene Consumer Staples im dritten und vierten Quartal 2024 bereits geschafft haben, ihren Absatz und Mix mit einem Feuerwerk an Produktinnovationen sowie höheren Marketinginvestitionen wieder zu verbessern. Dies zu intensivieren, ist ein Kernelement der Strategie von Freixe.

Schlankere Prozesse und mehr Agilität als Erfolgsrezept

Es ist auch nicht so, wie manche meinen, dass Nestlé ein „Produktproblem“ habe. Im Gegenteil, beim Produktportfolio ist Nestlé mit margenstarken Kategorien wie Kaffee, Tiernahrung und Nahrungsergänzungsmitteln sehr gut in den interessantesten Wachstumskategorien als Weltmarktführer aufgestellt. Außerdem besitzt Nestlé das Top-Produktportfolio mit dem höchsten Premiumanteil unter allen Wettbewerbern.

Richtig ist jedoch auch, dass Nestlé in den letzten Jahren in Bezug auf die operationelle Exzellenz nicht den gleichen Elan an den Tag gelegt hat, wie wir das z.B. von unseren Portfoliounternehmen Procter & Gamble oder Church & Dwight gewohnt sind. Hier will und muss Freixe gegensteuern, um die Agilität und Schlagkraft durch schlankere Prozesse zu steigern.

2025: Marketingoffensive für mehr Wachstum

Ab 2025 will Nestlé das Marketingbudget auf 9 % des Umsatzes zu erhöhen, wovon vor allem die Billionaire Brands profitieren, während Effizienzmaßnahmen bis 2027 Einsparungen von 2,5 Mrd. CHF bringen sollen. Gleichzeitig nimmt Nestlé die Mittelfristziele jedoch etwas zurück („oW 4 % plus x“, „oM 17 % plus x“). Während man das Aktienrückkaufprogramm erfreulicherweise ersatzlos auslaufen lässt, bleibt die Dividendenpolitik unverändert. Bei der Kapitalallokation wäre jedoch mehr unternehmerischer „Mut“ wünschenswert, etwa mit Blick auf den Schuldenabbau.

Leider ist Nestlé in den letzten Jahren – auf Druck aktivistischer Aktionäre (von Investoren wollen wir lieber nicht sprechen, denn de facto betreiben sie kurzfristige Gewinnmaximierung, ohne die langfristigen Folgen ihres Handelns zu bedenken) – der Versuchung erlegen, sich die typisch angelsächsische Schönwetterdenke zu eigen zu machen, wonach ein hohes Eigenkapital und eine hohe Nettofinanzposition Ausdruck einer ineffizienten Kapitalallokation seien. Das Gegenteil ist richtig, unternehmerisch betrachtet.

Durch Financial Engineering ohne Not Schulden gemacht

So ließ sich Nestlé dazu hinreißen, durch eine „attraktive“ Dividendenpolitik gepaart mit umfangreichen Aktienrückkäufen mehr auszuschütten als den erwirtschafteten Free Cash Flow. Ausschüttungshungrige „Marktteilnehmer“ und Analysten jubelten, zumal in Zeiten von Null- und Negativzinsen, denn allein durch dieses börsenkursmotivierte „Financial Engineering“ steigt der Gewinn je Aktie und das Kurs-Gewinn-Verhältnis sinkt, ohne dass das Unternehmen auch nur einen Franken mehr verdient hätte. Unternehmerisch betrachtet führte diese kaufmännische Unsitte jedoch dazu, dass sich Nestlé ohne Not von einem wirtschaftlich, d.h. unter Berücksichtigung der L’Oréal-Beteiligung, schuldenfreien Unternehmen zu einer Firma mit – wenngleich nicht besorgniserregenden – Nettoschulden gewandelt hat.

Börsengetriebene Aktienrückkäufe sind keine sinnvolle Kapitalallokation

Dabei könnte Nestlé ohne die fremdfinanzierten Aktienrückkäufe über ein komfortables Nettofinanzpolster verfügen, was einer Firma die nötige Flexibilität verschafft, z.B. durch sinnvolle Übernahmen in attraktive Wachstumsgeschäfte zu investieren, so wie es z.B. unser Portfoliounternehmen Church & Dwight seit Jahrzehnten vorbildlich praktiziert. Auch Nestlé könnte diesen Weg beschreiten, denn die Beteiligung am Weltmarktführer L’Oréal ist ein kostbares Juwel. Wir hätten daher Verständnis, wenn sie L’Oréal-Aktien verkaufen würden, um den Erlös für sinnvolles M&A oder zumindest den Abbau der Schulden zu nutzen.

Rein börsengetriebene Aktienverkäufe, wie im Jahr 2021, um den Gewinn je Aktie zu pushen und die Analysten und Kurzfristanleger zu beglücken, sind aus unternehmerischer Sicht jedoch genau das Gegenteil einer sinnvollen Kapitalallokation. Nestlés Verzicht auf ein neues Aktienrückkaufprogramm ist daher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Geduld als Tugend: Warum wir an Nestlé festhalten

Wir bleiben Nestlé weiter unternehmerisch-kritisch verbunden, da wir vom Produktportfolio und dessen Wachstumspotenzial überzeugt sind. Nestlé verfügt unseres Erachtens über ein grundsolides Geschäftsmodell, das auf wachstums-und margenstarke Produktkategorien ausgerichtet ist. Durch den Verkauf oder die Ausgliederung in Joint Ventures hat sich Nestlé in den letzten Jahren von zahlreichen schwachen Geschäften getrennt, wie z.B. das europäische Pizzageschäft (Wagner), Herta-Wurst oder das Süßwarengeschäft in den USA.

Auch vor diesem Hintergrund ist es falsch, zu meinen, Nestlé würde unter der zunehmenden Verbreitung von Abnehm-Medikamenten (Stichwort „Abnehm- bzw. Fettwegspritzen“) leiden. Das Gegenteil dürfte unseres Erachtens mittel- bis langfristig der Fall sein. So hat Nestlé bereits letztes Jahr die neue Produktlinie Vital Pursuit gestartet, die speziell für jene Verbraucher konzipiert ist, die GLP-1-Präparate zur Regulierung ihres Körpergewichts und Appetits verwenden. Gleichwohl haben wir unsere Nestlé-Beteiligung in den Fonds zuletzt bewusst verwässern lassen. Der Grund: Nestlé ist nach dem Managementwechsel in der Pflicht und muss erst einmal Überzeugungsarbeit leisten, um verloren gegangenes Vertrauen unter den Analysten wieder zurückzugewinnen.

Henkel als Beispiel: Geduld zahlt sich aus

Beim Blick auf die aktuelle Entwicklung von Nestlé drängt sich die Parallele zu Henkel auf – das Portfoliounternehmen stand lange Zeit unter Druck, sichtbare Erfolge beim vor einigen Jahren eingeläuteten Konzernumbau zu liefern. Diesen Prozess haben wir kritisch und geduldig zugleich begleitet, die Portfoliogewichtung zeitweilig aber auch zugunsten anderer Portfoliounternehmen reduziert, bevor wir Anfang 2024 damit begonnen haben, unsere Henkel-Beteiligung sukzessive wieder auf aktuell rund 3,5 % im Unternehmerfonds zu erhöhen. Aber wie schon an anderer Stelle erwähnt: Geduld ist gerade in der Analystenzunft ein rares Gut.

Kurzfristdenke: Ein Hindernis für langfristigen Erfolg

Bis ein Konzernumbau seine Wirkung entfaltet, braucht es – neben einem motivierten und fähigen Management – vor allen Dingen eines: Zeit. Doch vielen Analysten mit ihrer notorischen Kurzfristorientierung fehlt jedoch meist die nötige Portion Geduld. Sie interessieren sich mehr für die kurzfristige Entwicklung von Quartal zu Quartal denn für die „langen Linien“.

Die Folge: Unternehmen werden durch negative Kommentare vorschnell abgestraft und Kursziele einkassiert, wenn sich Umsatz und Gewinn wegen eines Konzernumbaus oder größerer Investitionsprojekte absehbar erst einmal eine Zeitlang schwächer entwickeln, bis die Maßnahmen greifen. Dass das Henkel-Management die richtigen Hebel in Bewegung setzt, wurde (spätestens) mit den Geschäftszahlen des Jahres 2023 deutlich, als Henkel inmitten des laufenden Konzernumbaus einen Rekord Free Cash Flow erwirtschaften konnte.

Restrukturierung trägt Früchte: Henkel überzeugt mit Zahlen

Im Jahr 2024 platzte – nun für alle sichtbar – der Knoten bei Henkel: Die Restrukturierung trägt die gewünschten Früchte. Nachdem bereits seit geraumer Zeit zu erkennbar war, dass das Management mit dem Konzernumbau die Weichen richtig stellt, ist nun endlich auch der Performance-Knoten bei der Aktie von Henkel mit einem Plus von 19,2 % geplatzt.

Robuste Gewinnmaschine: Warum Henkel langfristig Rückenwind hat

Wir sind daher sehr zuversichtlich, dass die Analystenzunft den erfolgreichen Konzernumbau nicht länger ignoriert und das Vertrauen der Investoren sukzessive wieder zurückkehrt. Für uns ist Henkel jedenfalls eine „robuste Gewinnmaschine“, die zu Recht ihren Platz im Unternehmerfonds und im Unternehmerfonds flex hat. Mittel- bis langfristig sollten steigende Unternehmensgewinne auch dem Aktienkurs mehr Rückenwind verleihen.