KI & Nvidia, Buffett & Apple
sowie Colgate
& „die Märkte“

27. August 2024
<br><b>KI & Nvidia, Buffett & Apple<br>sowie Colgate</b> & „die Märkte“

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Investoren,

wir hoffen, Sie haben die Ferienzeit erholsam verbracht oder genießen sie noch. „Die Märkte“ hingegen machen keinen Urlaub. Anfang August spürten die Börsen wenig von der Urlaubsstimmung, vielmehr herrschte Krisenstimmung. Ein kurzer Rückblick: Am 5. August brach der japanische Nikkei-Index um 10 % ein. Dieser „Japan-Crash“ löste weltweit Kursturbulenzen aus und schürte bereits bestehende Rezessionsängste: Wie geht es mit der Weltwirtschaft weiter? Was plant die US-Notenbank? Bleiben die US-Konsumenten zurückhaltend?

Viele Investoren verunsicherte zudem die Nachricht, dass Warren Buffett für 50 Mrd. US-Dollar Apple-Aktien verkauft hat. Wenn das Orakel von Omaha in großem Umfang Apple-Aktien verkauft, muss bei Apple etwas nicht stimmen… so die Interpretation vieler.

Apropos Technologiefirmen: Bis vor gar nicht allzu langer Zeit konnte es vielen Analysten nicht schnell genug gehen beim Hochfahren der KI-Investitionen. Jetzt lautet die von ihnen mit Sorge vorgetragene Frage: Wann sieht man denn zählbare Ergebnisse der immensen Investitionen? Dass diese Sichtweise zu kurzsichtig ist, zeigen wir später auf.

Anfang des Monats bot sich also eine für viele auf den ersten Blick unübersichtliche, verwirrende Lage an den Kapitalmärkten. Bei genauerem Hinsehen kristallisieren sich jedoch drei grundlegende Erzählstränge heraus, die wir im Investorenbrief eingehender bewerten wollen.

Narrativ 1: Die Rezessionsangst geht um

Die Konjunktursorgen unter vielen Marktteilnehmern nehmen zu. Die jüngsten US-Arbeitsmarktdaten fielen schwächer aus, die Zinserhöhungen bremsen die Konjunktur, und die US-Verbraucher halten sich angesichts gestiegener Preise beim Konsum zurück. Auch in China läuft die Wirtschaft nicht rund. Die Kursturbulenzen Anfang des Monats verstärkten die Rezessionsangst.

Was sollten Investoren dabei bedenken?

Wie Sie wissen, beteiligen wir uns nicht an Zins-, Konjunktur- und anderen Prognosen, nehmen jedoch wirtschaftliche Entwicklungen aus unternehmerischer Perspektive wahr. Eine sich abschwächende US-Konjunktur überrascht uns nicht, sie war vielmehr von der US-Notenbank Federal Reserve beabsichtigt, um den Inflationsdruck zu mindern. Die zurückliegenden Zinserhöhungen wirken, ebenso wie demnächst auch Zinssenkungen wirken werden. Da wir nicht von Konjunkturschwankungen abhängig sein wollen, beteiligen wir uns als langfristig orientierte Investoren an Unternehmen, die mit robusten Geschäftsmodellen auch in schwachen Zeiten operativ profitabel wachsen.

Wir achten bei unserer Unternehmensanalyse und Investitionsentscheidung auf die Widerstandskraft der Geschäftsmodelle, die selbst harte Rezessionen überstehen, und nicht auf Konjunkturprognosen. Auch wenn Zinssenkungen langsam in Sicht kommen und eine Rezession in den USA entfernt scheint – wir nehmen die Entwicklungen, wie sie kommen. Unser Portfolio ist bestens dafür gerüstet.

Mehr als „nur Zahnpasta“ robuste Gewinnmaschine Colgate

Ein hervorragendes Beispiel für ein resilientes Geschäftsmodell liefert unser Portfoliounternehmen Colgate-Palmolive. Mit einer prall gefüllten Pipeline an Produktinnovationen wächst der Weltmarktführer bei Zahnpasta nunmehr seit mehreren Quartalen mit beeindruckender und herausragender Schlagzahl. In neun der letzten zwölf Quartale lag das organische Umsatzwachstum deutlich oberhalb der anvisierten Bandbreite von 3 bis 5 %. Der bereits ohnehin hohe globale Marktanteil bei Zahncreme von 40,1 % im Jahr 2022 und 41,1 % in 2023 konnte im laufenden Jahr weiter gesteigert werden und beträgt aktuell 41,5 %. Bei Handzahnbürsten liegt der Weltmarktanteil inzwischen bei 32,2 %.

Wachstumstreiber Nummer eins ist unverändert Colgates „Whitening-Portfolio“, also Produkte zur Zahnaufhellung, angefangen bei Mundwasser, Handzahnbürsten und Zahnpasta bis hin zu „Weißmacher-Stiften“ oder LED-Whitening Kits. Und natürlich deckt Colgate mit seinen Produkten, die zwischen 4 bis 10 US-Dollar und 350 US-Dollar kosten, das volle Preisspektrum ab.

Im Bereich Zahnpasta deckt Colgate hier von preisgünstigen Produkten bis zum hochpreisigen Premium-Segment alle Bereiche ab und erreicht so gleichermaßen preissensitive Konsumenten wie anspruchsvolle Kundenschichten.

Mit seinen attraktiven und innovativen Angeboten baut Colgate seine Dominanz kontinuierlich aus, insbesondere in den wichtigen Schwellenländern, die einen Anteil von 45 % am Umsatz ausmachen. Allen voran in Indien ist Colgate mit großem Vorsprung unangefochtener Marktführer.

Wachstumstreiber Tiernahrung

Über alle Stufen der Wertschöpfungskette hinweg zeichnet sich Colgate dabei durch ein Höchstmaß an operativer Exzellenz aus; der seit 2019 amtierende CEO Noel Wallace leistet hier hervorragende Arbeit und kennt Colgate als ehemaliger Chief Operating Officer in- und auswendig. Ein weiterer wichtiger Wachstumsmotor ist das bereits 1976 übernommene Geschäft mit Tierfutter, das unter dem Namen Hill’s firmiert (benannt nach dem ursprünglichen Gründer Burton Hill). Nach dem lateinamerikanischen Markt (Umsatzanteil 25 %) ist Hill’s mit einem Umsatzanteil von 22 % der zweitwichtigste Geschäftsbereich.

Der Hersteller nicht-zyklischer Konsumgüter hat jüngst herausragende Geschäftszahlen für das zweite Quartal 2024 präsentiert. Colgate bringt alles mit, was zu einem resilienten Geschäftsmodell beiträgt: Das Unternehmen ist weltweit aktiv, also nicht von einem einzelnen Markt abhängig. Es verfügt über hohe Preissetzungsmacht durch starke Marken und ist in verschiedenen Geschäftsfeldern aktiv. Mit einem organischen Wachstum von 9 % wuchs der Umsatz auf 5 Mrd. US-Dollar.

Dieser dynamische Anstieg ist bemerkenswert, da Colgate im Vorjahreszeitraum bereits ein Wachstum von 8,2 % erzielte. In Q2 2024 konnten alle Geschäftsbereiche ihren Absatz signifikant ausweiten. Volumen und Preiserhöhungen trugen mit +4,7 % bzw. +4,2 % ausgewogen zum Wachstum bei. Besonders dynamisch läuft das Geschäft in Lateinamerika (25 % des Umsatzes) mit einem Wachstum von 18,8 %. Auch Europa (14 % des Umsatzes) floriert mit +6,5 % (davon +5,2 % Absatzvolumen). Das Geschäft mit Hill’s (22 % des Umsatzes) zieht mit +6,1 % weiter kräftig an, wobei der Absatz um 2,5 % zulegte und Preiserhöhungen 3,7 % zum Wachstum beitrugen.

 

 

Quelle: Quartalsbericht Colgate, Eigene Berechnung Wagner & Florack

Colgate profitiert übrigens auch verstärkt von den Investitionen, beispielsweise in die Digitalisierung der Wertschöpfungskette. „Es ist sehr wichtig, das Investitionsniveau beizubehalten und weiterhin Wege zu finden, um die Wirksamkeit dieser Investitionen zu erhöhen. Wir setzen KI und andere Tools ein, um den ROI wirklich zu verbessern. Wir werden viel besser bei unseren Innovationen – das trägt sicherlich dazu bei, das beständige Wachstum auf der ganzen Welt voranzutreiben“, sagt CEO Noel Wallace auf der jüngsten Investorenkonferenz. Investitionen, die sich für Colgate langfristig auszahlen.

 

Colgate ist ein Paradebeispiel für Unternehmen, die selbst in Rezessionen verlässlich weiter wachsen und dabei die Margen hoch halten. Die enorme Preissetzungsmacht, die sich aus der Marktführerschaft und Innovationsführerschaft zum Beispiel in vielen „every day usage“-Produkten ergibt, toppt alle Wettbewerber. Und die schrittweise Digitalisierung der internen Prozesse über die gesamte Wertschöpfungskette macht Colgate zunehmend effizienter und mit Hilfe KI-gestützter Software kann es das Pricing auf den jeweiligen Märkten optimieren – mit dem Ergebnis, dass das Unternehmen noch mehr verdient. Das Beispiel Colgate zeigt: Unser Portfolio ist auch für Krisenzeiten bestens gerüstet. Gerade dafür.

 

 

Narrativ 2: Die Investitionen in Künstliche Intelligenz zahlen sich nicht aus

Die großen Tech-Unternehmen investieren derzeit hohe Milliardenbeträge in die Forschung und Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. Lange galt in Analystenkreisen KI als das Zukunftsthema der Tech-Branche. Wie eingangs erwähnt konnte es ihnen bei Alphabet, Apple, Adobe & Co. gar nicht schnell genug gehen mit dem Hochfahren der KI-Investitionen. Nun richtet sich die Ungeduld der Analysten auf einen neuen Aspekt: Sie wollen zählbare Ergebnisse (Monetarisierung!) der KI-Investitionen sehen.

Was viele Analysten übersehen: KI ist in Entwicklung, Implementierung und Anwendung so revolutionär, dass sich Umsätze und Wachstum nicht so planen lassen wie bei einer seit langem etablierten Technologie. Hier sind Geduld und Perspektive gefragt. Oft genug verfügen Analysten darüber aber nicht. Sie hätten am liebsten schon in der Entwicklungsphase exakte Zahlen für die Quartalsumsätze für ihre Discounted Cash Flow-Modelle, mit denen sie Kurzfrist-Kursziele hoch- oder runtersetzen können (die dann wiederum Flow generieren und den Brokern Geschäft beschert…)

So einfach ist es aber nicht: KI steckt immer noch in den Kinderschuhen und trotzdem ist die Monetarisierung bereits konkret, wenngleich nicht immer klar zu quantifizieren, weil in vielen Fällen zunächst einmal bestehende Angebote durch KI aufgewertet und verbessert werden. Schon generiert Alphabet mit KI-Anwendungen Umsätze in Mrd.-Dollar-Höhe, wie CEO Sundar Pichai zuletzt betonte.

Was sollten Investoren beachten? 

Als unternehmerisch denkende Investoren sind für uns nicht die wechselnden Analystenmeinungen entscheidend – sondern wie unsere Tech-Unternehmen sich strategisch positionieren. Wir investieren in Tech-Firmen, die eine Ausnahmestellung besitzen, die breit aufgestellt sind und jenseits von KI profitabel wachsen. Die KI-Investitionen dieser Unternehmen werden deren Wachstum jedoch weiter ankurbeln. Allerdings liegt zwischen KI-Entwicklung und -Monetarisierung Zeit. Diese Zeit haben unsere Tech-Portfoliounternehmen, weil sie nicht ausschließlich auf kurzfristige KI-Erfolge angewiesen sind.

Beispiel Alphabet: Fast jeder dritte Umsatz-Dollar fließt in F&E und Investitionen

Analysten fordern kurzfristige Zahlen statt langfristige Ergebnisse – auch bei der Google-Mutter Alphabet. Alphabet steigerte im zweiten Quartal den Aufwand für Forschung und Entwicklung (F&E) um 12 % auf fast 12 Mrd. US-Dollar bzw. 14 % vom Umsatz. In einem einzigen Quartal steckt Alphabet somit fast genauso viel Geld in F&E wie SAP in den beiden letzten Geschäftsjahren zusammen. Hinzu kommen Investitionen in Höhe von 13 Mrd. US-Dollar (15 % vom Umsatz), so dass Alphabet fast jeden dritten Umsatz-Dollar für Forschung & Entwicklung sowie Investitionen aufwendet. Während Alphabet das Thema Generative KI mit Investitionen im operativen Geschäft vorantreibt, verlangt die Analystenschar nach einem klaren Monetarisierungsfahrplan. Geduld und langfristige Perspektiven scheinen für die Finanzanalysten weniger wichtig zu sein als der kurzfristige Fokus auf die „richtigen“ Zahlen.

Auch wir haben die Zahlen genau analysiert und aus langfristiger Sicht betrachtet – wir sehen uns darin einmal mehr bestätigt, dass der Konzern den Kurs hält: Mit einem Umsatz von 84,7 Mrd. US-Dollar und einem operativen Wachstum von 15 % übertrifft Alphabet in Q2 2024 übrigens – das nur als Randnotiz – die Konsenserwartungen der Analysten. Haupttreiber sind die Entwicklungen im Geschäftsbereich Search und das Momentum im Cloud-Geschäft.

Im Bereich Search liegt der Umsatz bei 48,5 Mrd. US-Dollar und einem Plus von fast 14 %. Insgesamt steigen die Werbeumsätze auf 64,6 Mrd. US-Dollar. Auch die Videoplattform YouTube wuchs mit 8,7 Mrd. US-Dollar Umsatz weiter. Und das Geschäft floriert. Denn über YouTube bringen Kreative ihre Produkte einem potenziellen Millionen- und Milliardenpublikum näher. Mittlerweile ist YouTube Marktführer unter den Streamingdiensten auf TV-Geräten mit einem Marktanteil von 10 %. Für die Analysten ist das schwächere Quartal von YouTube jedoch ein Aufhänger, um ihre Prognosen für die YouTube-Umsätze der nächsten Jahre zu kürzen.

Die Cloud-Sparte übertrifft in Q2 mit 10,3 Mrd. US-Dollar Umsatz und einem Zuwachs von 28,8 % erstmals die 10-Mrd.-Marke. Alphabet erzielt im Cloud-Geschäft eine operative Marge von 11,3 % (im Vorjahr 5 %). Aufgrund seiner langjährigen Forschung im Bereich maschinelles Lernen und seines globalen Infrastrukturnetzwerks zählt Google bei Cloud und KI zur technologischen Speerspitze. Die vollständige Analyse zu Alphabet lesen Sie hier.

Beispiel Adobe: KI-Innovationen verstärken Adobes „Burggraben“

Ähnlich zeigt sich die Situation bei Adobe: Im Vorfeld der Geschäftszahlen zum zweiten Quartal war die Analystenzunft skeptisch. Sie befürchtete erneut eine schwache Monetarisierung der hohen Investitionen in Künstliche Intelligenz. Auch die Sorge, Wettbewerber würden Adobe näher auf den Pelz rücken und das Wachstum der Buchungszahlen bremsen, war präsent. Doch Adobe widerlegte die Kritiker mit sehr guten Geschäftszahlen. Angesichts der hohen Margen von Adobe verwundert es kaum, dass Konkurrenten ebenfalls einen Teil vom wachsenden KI-Kuchen abbekommen wollen. Allerdings sind deren Überlappungen mit Adobes Kerngeschäft meist überschaubar. Der Burggraben des Adobe-Geschäftsmodells ist somit nicht gefährdet, denn

  • erstens dominiert Adobe mit seinen marktführenden Services echte langfristige Wachstumstrends unserer zunehmend durchdigitalisierten Welt und
  • zweitens festigt und verstärkt Adobe seine Spitzenstellung durch ein rekordverdächtiges Tempo an Produktinnovationen. Das hat sich mit der konsequenten Integration der eigenen generativen KI Firefly noch einmal zusätzlich (!) beschleunigt. So wurden seit dem Debüt von Firefly im März 2023 bereits mehr als neun Milliarden Bilder generiert.

Eine umfassende Analyse zu Adobe und Künstlicher Intelligenz finden Sie im Investorenbrief 07/24.

Gegenbeispiel Nvidia: Ausschließlich auf das KI-Wachstum angewiesen

Ist KI also ein No-Brainer für Investoren? Nein, für uns gibt es auch No-Gos bei diesem Thema: In die Forschung und Entwicklung von KI sowie deren Implementierung ins operative Geschäft fließen derzeit gerade von den großen Tech-Unternehmen hohe US-Dollar-Milliardenbeträge. Einer der Haupt-Nutznießer dieser Entwicklung war und ist Nvidia: Der Halbleiter-Hersteller ist eine großartige Firma, die sich in der Vergangenheit einen echten Innovationsvorsprung erarbeitet hat. Nvidia hält zudem das Innovationstempo hoch und investiert dafür massiv in Forschung & Entwicklung. Trotz (oder wegen) aller Investitionen verdient Nvidia prächtig und ist hochprofitabel.

Dennoch haben wir nicht in Nvidia investiert und werden es auch nicht tun:  Das Halbleiter-Geschäft ist nicht gut planbar, die gesamte Branche ist von extremem Wettbewerb und Disruption geprägt. So kometenhaft der Aufstieg von Nvidia durch den KI-Boom verläuft, so schnell kann auch eine konkurrierende Technologie das Geschäft angreifen – sicherlich nicht heute und morgen, aber perspektivisch ist das nicht unwahrscheinlich.

Nvidias Fokus auf Großkunden ist riskant

Aktuell macht das Unternehmen ca. 75 % des Umsatzes mit den großen Top-Kunden wie zum Beispiel Apple, Google, Microsoft und Meta. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass weltweit rund 75 % der weltweiten Rechenleistung (für KI) bei diesen großen Tech-Firmen liegt – mit entsprechend großer Fallhöhe.

Denn zwar kaufen die Tech-Riesen ihre KI-Chips bei Nvidia, aber sie entwickeln und/oder bauen selbst eigene Chips, die kostengünstiger und besser auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Schon heute ist beispielsweise der M3-Prozessor von Apple der leistungsfähigste Chip für mobile Endgeräte. Eine ähnliche Entwicklung wird es in Zukunft bei den KI-Chips geben, auch, weil die großen Tech-Unternehmen ihre Abhängigkeit von Nvidia reduzieren wollen.

Bei 75 %-Umsatzanteil sehen wir im Fokus auf große Abnehmer ein echtes Risiko für Nvidia. Denn viele kleine KI-Firmen können sich die teuren KI-Chips nicht leisten und mieten lieber Rechnerleistung als selbst zu investieren. Dafür baut Nvidia derzeit Rechenzentren, die kleinere Kunden mieten können. Es ist aber fraglich, ob dieses kleinteilige Geschäft den Wegfall großer Kunden kompensieren kann.

Hinzu kommt für uns die Bewertungsthematik: Die Börsenbewertung von Nvidia ist möglicherweise dann nicht zu hoch, wenn man annimmt, dass Nvidia seinen Innovationsvorsprung hält und KI am Anfang steht. Letzteres stimmt sicher, ersteres können wir nicht abschätzen.

Wir haben aber ein Problem damit zu glauben, dass Nvidia das 50- bis 100-fache des Free Cash Flows wert sein soll, je nachdem, welchen Free Cash Flow man heranzieht, den aktuellen oder den des nächsten oder übernächsten Jahres. Auf jeden Fall ist uns bei Nvidia zu viel Phantasie eingepreist, gerade auch mit Blick auf die oben beschriebenen Unwägbarkeiten.

Deshalb investieren wir in Tech-Firmen, die breit aufgestellt sind, über genügend eigenes Kapital für F&E, Investitionen und M&A-Aktivitäten verfügen und die jenseits von KI profitabel wachsen. Nvidia wird unserer Meinung nach von vielen Analysten immer noch zu sehr bejubelt, aber der Hype um dieses Unternehmen wird von denselben Analysten befeuert, die eher der Kurzfrist-Denke angehören. Sicherlich: Wer in zwei oder drei Jahren Innovationsführer ist, bleibt ungewiss, denn die Führerschaft kann in diesem Geschäft schnell wechseln. Aber gerade deshalb sind wir bei Nvidia vorsichtig.

Narrativ 3: Wenn Buffett reduziert, muss etwas faul sein

Wir haben keine Glaskugel zur exakten Vorhersage von Marktentwicklungen und Warren Buffett wird auch keine solche Glaskugel haben. Dass die Meldung über Buffetts Apple-Reduktion zusätzlich zum Abverkauf am „Schwarzen Montag“ Anfang August beigetragen hat, wird so sein. Mehr aber auch nicht. Warren Buffett hat über mehrere Monate seine Apple-Position in seinem liquiden Portfolio um die Hälfte reduziert. Viele Marktteilnehmer interpretieren dies als Zeichen, dass das „Orakel von Omaha“ Apple nicht mehr attraktiv findet. Und schließlich hat Warren Buffett alles richtig gemacht rechtzeitig vor dem Kurseinbruch verkauft, oder?

Wahr ist: Wir wissen nicht, was Buffett zum Reduzieren bewogen hat. Über seine Gründe verrät die Meldung von Berkshire Hathaway an die SEC nichts. Aber sie sagt auch nichts darüber, dass sich die Einschätzung von Warren Buffett aus dem Mai 2024 geändert hätte. Auf der Hauptversammlung hatte Buffett damals gesagt: „Und wir besitzen Apple, was ein noch besseres Geschäft ist [als American Express und Coca-Cola], und wir werden Apple weiter besitzen, wenn nicht etwas wirklich Außergewöhnliches passiert.“ An dieser Absicht hat sich nichts geändert – das zeigt der Blick auf das liquide Portfolio von Berkshire Hathaway: Nach (!) dem Verkauf umfasst die Apple-Position von Berkshire Hathaway noch immer 25 % Portfolioanteil. Das sieht für uns nicht nach Ausverkauf aus.

Beispiel Apple: Unternehmensgewinn wächst schneller als der Umsatz

Skeptikern mag die Verkaufsnachricht dennoch in die große Nachrichtenlage passen. Wir sind mit unserem Engagement in Apple sehr zufrieden. Eines steht für uns fest: Was auch immer Buffett zu seiner Reduzierung der Apple-Beteiligung bewogen hat, an einer drohenden Angreifbarkeit des für ihn und uns wichtigen Burggrabens um Apples Geschäftsmodell kann es nicht gelegen haben. Im Gegenteil: Mit jedem neuen Gerät (Mac, iPhone, iPad und Wearables), jedem neuen nützlichen Service und jedem neuen Abo dehnt sich der Burggraben weiter aus. Die einzelnen Gerätefamilien sind komplementär und zeigen große Netzwerkeffekte.

Während sich viele Analysten auf die herausfordernden Marktbedingungen in China konzentrierten, stellte Apple im zurückliegenden Q3 neue Quartalsrekorde in mehr als zwei Dutzend Ländern und Regionen auf, darunter Kanada, Mexiko, Frankreich und Deutschland sowie in den immer wichtiger werdenden Schwellenländern wie Indien, Indonesien, den Philippinen und Thailand.

Im Juni-Quartal steigerte Apple den Umsatz bei einem organischen Wachstum von 7,3 % auf 85,8 Mrd. US-Dollar. Diese Dynamik treibt vor allem der Bereich Services an, der mit 16,3 % deutlich schneller wächst als der Geräteumsatz mit +4,3 %. Wechselkurseffekte belasteten mit minus 230 Basispunkten, was Apple nicht nur Umsatz, sondern auch Marge kostete. Dennoch verbuchte Apple mit 46,3 % eine Rohmarge am oberen Ende der eigenen Erwartungen, was einem marginalen Rückgang von 30 Basispunkten gegenüber dem Vorquartal entspricht. Ein wichtiges Detail: Die Rohmarge bei den Services liegt mit 74 % mehr als doppelt so hoch wie bei den Geräten mit 35,3 %.

Kriegt Apple die Krise? Nein!

Apples Geschäftsmodell ist kerngesund. Vor allem der Bereich Services verleiht Apple weiterhin Dynamik. Zudem werden die KI-Lösungen von Apple Intelligence sowohl im Bereich Services als auch verstärkt im Bereich Hardware/Geräte zusätzlichen Schwung geben. Wir haben die Börsenturbulenzen Anfang August genutzt, um in unseren beiden Unternehmerfonds zu einem günstigen Preis unsere Apple-Position weiter auszubauen.

Worauf sollten Investoren „jetzt“ achten?

Der Japan-Crash hat deutlich gemacht: Man hüte sich nicht nur „jetzt“, sondern in jeder Marktlage (!) vor voreiligen Schlüssen und (Investitions-)Entscheidungen. Auslöser für den Kurseinbruch am japanischen Aktienmarkt waren Carry Trades: Viele Marktteilnehmer haben sich zinsgünstig stark in Yen verschuldet. Durch die Zinserhöhung in Japan ist der Yen stärker geworden, was in Verbindung mit der Erwartung fallender Zinsen in den USA bei Marktteilnehmern Liquiditätsprobleme verursacht. Um diese zu lösen, zogen sie Liquidität aus Aktien, Gold und Kryptowährungen ab – mit unmittelbaren Folgen für Börsen rund um den Globus. Aber reicht das, um als Investor die eigene langfristige Investitionsstrategie zu ändern und „Werte“ zu verkaufen? Bei einer – für uns atypischen – kurzfristigen Performance-Betrachtung der beiden Unternehmerfonds stellt man fest: Viel Lärm um nichts. Sowohl der Unternehmerfonds flex als auch der Unternehmerfonds reagierten zum einen vergleichsweise wenig auf die kurzfristigen Kursrücksetzer, und zum anderen notieren die Anteilspreise beider Fonds aktuell über dem Niveau von Ende Juli.

Dennoch haben der „Japan-Crash“ und die weltweiten Kursrücksetzer wieder einmal gezeigt, dass es kurz- oder mittelfristig sehr schnell sehr ungemütlich werden kann. Deshalb achten wir auf ein Portfolio, das substanzielle Investitionssicherheit bietet. Deshalb achten wir langfristig auf die solide operative Entwicklung unserer Firmen. Deshalb achten wir auf gut geschützte Geschäftsmodelle und robuste Gewinnmaschinen. Denn langfristig bestimmt der Unternehmensgewinn den Unternehmenswert und damit den Aktienkurs.

Bei unseren Portfoliounternehmen sehen wir nach der angelaufenen Berichtsaison zum zweiten Quartal – erwartungsgemäß – erfreuliche Entwicklungen. Oder wie es Warren Buffett einmal gesagt hat: „Der Aktienmarkt ist ein Instrument, um Geld von den Ungeduldigen zu den Geduldigen zu transferieren.“

Geduld zahlt sich aus!

In diesem Sinne mit herzlichen Grüßen,

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Bildquellen:

Titelbild: Shutterstock / Montage Wagner & Florack
Bild 1 – 4, 7, 8, 10 – 13: Shutterstock

Bild 5: Quelle: Quartalsbericht Colgate, eigene Berechnung Wagner & Florack

Bild 6: Quelle: Morningstar Direct

Bild 9: generative KI von Adobe, Adobe Stock

Glossar:

CCR = Cash Conversion Rate

DCF  = Discounted Cash Flow

EK = Eigenkapital

EV = Enterprise Value

FCF = Free Cash Flow. Das Nachsteuerergebnis ist nicht der Unternehmensgewinn, sondern der freie Barmittelzufluss (Free Cash Flow), da nur der Free Cash Flow Abschreibungen, Betriebskapital (working capital) und Investitionen berücksichtigt. Der wirkliche Unternehmensgewinn, der Free Cash Flow, ist für uns eine maßgebliche Bezugsgröße für die Unternehmensbewertung.

FY = Financial Year

FYe = expected Financial Year

nwc = Net working capital

oW = organisches Umsatzwachstum

Q1, Q2 usw. = Quartal 1, Quartal 2 usw.

RoCe = Return on Capital employed. Wir legen großen Wert auf eine valide und konservative Struktur der eingesetzten Kennzahlen und berechnen das RoCe daher als Free Cash Flow im Verhältnis zum Eigenkapital plus Nettofinanzschulden bzw. abzgl. Nettofinanzposition plus relevante, langfristige Rückstellungen wie Pensions- und Leasingverpflichtungen.

Stand der Daten: 31.07.2024